Das Hohelied vom Zolltarif
Mir ging es im Kopfe wie treibende Mühlen,
Ich las mit ziemlich gemischten Gefühlen
Die Menge Artikel mit ihren Zöllen,
Die wir nunmehr berappen söllen:
Die flimmernde Seide, gezwirnte, gefärbte,
Gespinste von Pferde- und Hundehaare,
Fußbodenteppiche als Meterware,
Künstliche Blumen zum Sonnenschirme,
Künstliche Käfer und sonstiges Gewürme,
Die Ochsen, die Kühe, die Lämmer und Böcke,
Die Öle, die Schmalze, die Schinken und Specke,
Die Krebse, die Schnecken, die fettigen Trane,
Die Eier, die Dotter, die Milch und die Sahne,
Den Honig in Stöcken, in Körben und Kästen,
Die Enten zum Schlachten, die Gänse zum Mästen,
Die Hölzer, zersägt in Bretter und Latten,
Die Haare der Ziegen und Bisamratten,
Die Zuckersubstanzen von Rohr und Rüben,
Sago und Mais, im Korn und zerrieben,
Kaffee-Essenz in gebrannter Melasse,
Liköre in Flaschen, im Kübel, im Fasse,
Most von den Trauben, gekocht und gedickt,
Wein mit Mixturen-Zusatz verschickt,
Die feinen Gewebe mit Kanten und Borten,
Getreidestengel von allen Sorten,
Die Kürbisköpfe und die Melonen,
Die Apfelsinen und die Zitronen - -
Hier musste ich stocken, mir fuhr es durch den Sinn:
Kreuzdonnerwetter, wo soll das hin?
Die Zölle sollen doch Einfluss besitzen,
Um unsere Heimatprodukte zu schützen,
Wo sind denn nun aber auf unseren Fluren
Die deutschen Zitronen und Orangenkulturen?
Sahst du schon jemals bei uns im Grünen
Zitronen wachsen und Apfelsinen?
Das ist ganz egal, erklärt der Tarif,
Bei uns gibt es bloß das Verteuerungsmotiv,
Und wächst keine Südfrucht im deutschen Revier,
So soll sie mir wenigstens blechen dafür!
Und wie auch der Zeiten Verschiedenheit klafft,
Es dreht sich doch alles um eine Welle:
Die „Hohenzollern“ sind abgeschafft,
Dafür regieren die „Hohen Zölle“!
Alexander Moszkowski