Herr Rektor Knorr
Herr Rektor Knorr, der Schultyrann,
Vor dem sogar die kecken
Schuljungen sich verstecken,
Zu Haus ist er ein zahmer Mann,
Frau Knorr, die hat die Hosen an,
Und ihr zu widersprechen,
Wird er sich nie erfrechen.
Frau Knorr, die führt das Regiment,
Sie führt es nicht zum Spaße,
Die Schlüssel selbst zur Kasse
Hat sie, und wenn die Kehl ihm brennt,
Kann im gehopften Element
Er seinen Durst nur stillen
Mit ihrem guten Willen.
Und spricht Frau Rektor Knorr: „Punkt neun
Wirst du nach Hause kehren!“ -
So könnt ihr drauf schwören:
Es wird noch nicht dreiviertel sein,
So tritt er schon ins Haus hinein;
Er weiß, was ihm bevorsteht,
Wenn er zu spät am Tor steht.
Ist er ins Haus getreten, putzt
Vom Schmutz er rein die Schuhe;
Er weiß, warum er’s tue.
Weh, wenn die Treppe er beschmutzt,
Das wird ihm tüchtig aufgemutzt;
Beschmutzt er gar das Zimmer,
So geht’s ihm noch viel schlimmer.
Herr Rektor Knorr, der Schuldespot,
Ist, um es kurz zu melden,
Der ärmste von den Helden,
Die jemals folgten Frauengebot,
Und hat er seine liebe Not,
Auf dass er seine Alte
Bei guter Laun erhalte.
Am Sonntag war’s. Bei Tisch befand
Sich Knorrchen und die Seine
Im friedlichen Vereine.
Die Suppe auf dem Tische stand;
Frau Rektor Knorr nimmt in die Hand
Den großen Löffel eben,
Die Supp herauszugeben.
Da fliegt durchs offene Käfigtor
Der Zeisig in die Stube,
Wobei der lose Bube
In frohem Schrecke das verlor,
Wodurch Tobias Senior,
Wie uns die Bibel kündet,
Vorzeiten war erblindet.
Die saubere Würze fällt, o Graus,
Mitten in die Terrine.
Jedoch Frau Knorr zieht ihre Miene
Hierzu – kaum glaublich – nicht mal kraus;
Sie trägt die Schüssel still hinaus,
Das Fleisch und grüne Bohnen
Nebst anderem zu holen.
Da spricht Herr Knorr zart und sehr schön:
„Mein liebes Kindl! Ich staune
Über die gute Laune,
Mit der du ließest dies geschehen. -
Das Donnerwetter möchte ich sehen,
Das auf mich niederginge,
Wenn ich mich’s unterfinge!“
Adolf Brecher