Die Beichte
Der Pater Bonifaz im Beichtstuhl sitzt;
Kühl ist die Kirche, er aber schwitzt.
Er schwitzt, als säß er über heißen Kohlen,
Kratzt die Tonsur und trippelt mit den Sohlen.
So viele Sünder! Es ist zum verzweifeln,
Am liebsten jagt er sie zu allen Teufeln.
Er absolvieret frisch drauf los; heut finden
Bei ihm ein halbes Ohr die schönsten Sünden.
Heut ist Sankt Bonifaz. Die Mittagsgäste,
Sie harren seiner schon zum Namensfete.
Indessen er hier trösten muss und raten,
Wird warm daheim das Bier und kalt der Braten.
Gottlob, die Alte, die so lange schwätzte,
Sie steht jetzt auf, sie ist wohl heut die letzte.
Doch nein; da kniet ein junges Mädchen nieder.
Zwei runde Äpflein wölben sich durchs Mieder.
Zwei Wänglein glühen flaumig wie die Pfirschen,
Zwei Lippen schwellen saftig wie die Kirschen.
Das ist ein Obst! O Bonifaz, was mögen
Dein Braten gelten und dein Bier dagegen?
Doch solchen Reizen ist sein Sinn verschlossen,
Er lehnt sein Ohr ans Gitterloch verdrossen.
Er horcht, er lauscht, doch wie er horchen mag,
Er hört doch nichts als ihres Herzens Schlag
Sie tut den Mund nicht auf, ein Wort zu sagen,
Es bleibt nichts übrig, als sie auszufragen.
„was ist es? Was belastet dein Gewissen?
Was tatest du Übles? Schnell, lass mich es wissen!“
Mit großen Augen sieht ihn an die Kleine,
Als ob sie nicht verstünde, was er meine.
„Das ich was unrechtes täte, Gott behüte“,
Versetzt sie mit unschuldigem Gemüte.
„Du tatest gar nichts?“ „Nichts ehrwürdiger Vater!“
Unwillig springt vom Sitz der fromme Pater.
„Du dumme Gans,“ ruft er, in Zorn entglommen,
„Erst tu etwas, dann magst du beichten kommen.“
Adolf Brecher