Der Jugendfreund
Jüngst sah ich wieder – wer beschreibt die Freude!
Den Freund, den zwanzig Jahre ich entbehrt.
Wir waren beide längst gesetzte Leute
Und sprachen anfangs weise und gelehrt.
Dann aber ging’s an die Erinnerungen;
Wir tauschten manches Wort darüber aus,
Wie wir zusammen einst gescherzt, gerungen,
wie wir vereinigt einst in Schul‘ und Haus.
Und alles wußt er noch – konnt‘ sich entsinnen,
Als hätten gestern wir uns einst getollt:
Vor mir stieg auf ein jegliches Beginnen,
Die ganze Jugend hat er neu entrollt.
Nach langen Stunden erst ließ ich ihn ziehen.
„Welch ein Gedächtnis!“ rief’s in meiner Brust.
„Nur das ich – zwanzig Mark ihm einst geliehen,
Das hat der gute Freund – nicht mehr gewußt!“
Franz Blecken