Das Radio – Vortrag zur Verlobungsfeier
(dazu bringt man irgendwo im Raum einen riesenhaften Lautsprecher – großen Trichter – an, hinter dem dann der Vortragende, am besten ungesehen, redet.)
Achtung – Welle ............ – Hier (Beliebige Stadt) Vortrag Professor Hansdampf über den „Unfug der Liebe“.
Meine Herrschaften, die sie hier zum löblichen Tun versammelt sind – nämlich: mich anzuhören – Wenn ich Sie alle vor mir sehen könnte – was gottlob unmöglich! - , so würde ich gleich sagen: da sieht man wieder, welchen Unfug die sogenannte Liebe, die zur Ehe ausartet, fertig bringt!
Sie müssen sich mal vergegenwärtigen, wie glücklich Sie als Kind gewesen sind – können Sie das noch? Na also! Unbeschwert von Dingen, die das sogenannte Herz betreffen, trippelten Sie ihre Kindertage dahin, spielten Kreisel und warfen Ihren Ball den lieben Tanten ins Gesicht oder in Fensterscheiben, machten sich auf Obstbäumen zu schaffen, wie dies seit Adams Zeiten Sitte ist, und halfen, wo es tunlich, die so schädlichen Süßigkeiten aus der Welt schaffen. In der Schule war es nicht ganz so einfach, da gab’s weniger Süßes als Saures – aber Ihr kindlicher Sinn verstand es doch, heiter die Lehrer zur Verzweiflung zu bringen und zu verhindern, daß in die Schatzkammer Ihres Gehirns zu viel wertloses hineinpraktiziert ward..... Es war trotz allem eine glückliche Zeit, nicht wahr?
Nun erinnern Sie sich des schönen – vielmehr des dreimal vermaledeiten Tages, an dem sich so ein gewisses Kribbeln und Wackeln in Ihrer Brust bemerkbar machte – Krankheitssymptome aufstiegen, Hitze, Röte, Kälte, Unruhe in sämtlichen inneren und äußeren Gliedmaßen, kurz – ein ganz fataler Zustand. Merkwürdigerweise hingen diese Erscheinungen immer mit der Erscheinung dieser oder jener Persönlichkeit zusammen, die Sie sozusagen „wonnig“ fanden. Von Rechts wegen hätte die Heilung der Krankheit von eben dieser Persönlichkeit abhängen sollen, aber das tat es natürlich nicht, denn alles Richtige bleibt immer unrichtig in dieser Angelegenheit, die man mit dem unzutreffenden Namen „Liebe“ belegt.
Da haben wir’s schon, das Thema: Jene Krankheit heißt nämlich – Sie werden es mit Scharfsinn schon erraten haben – die Liebe. Es ist eigentlich eine Kinderkrankheit, und wie bei solchen, wird das Übel je schlimmer, je älter der Betroffene ist.
Der Bazillus davon ist entdeckt, doch das Serum, das man dagegen einimpft, hat den Nachteil, daß nur Millionäre es sich leisten können, es heißt nämlich Millionenehe. wir müssen uns daher mit dem Leiden eingehender beschäftigen., denn die paar Dutzend Millionäre, die es bei uns gibt, sind meist schon geimpft und Lymphe geben sie nicht ab.
Meine Herrschaften , hören Sie gut zu! Sie alle sind berufen, dies Übel aus der Welt zu schaffen! Ich erinnere Sie nochmals an die schrecklichen Leiden, die Sie alle durchzumachen hatten, als Ihnen klar wurde, daß Sie sich irgendwo, irgendwie infiziert hatten! Sie merkten es daran, daß Sie plötzlich den Mond anschwärmten, Blumen pflückten – oder sogar kauften! -, einen schweren Anfall von Dichteritis zu überstehen hatten – und auf sämtlichen Versfüßen zu hinken begannen -, daß Sie (falls Sie männlich sind) größenwahnig nach Imponiergelegenheiten suchten, als da sind: Autofahren, Charleston (oder andere Tänze) tanzen, Direktorstellung erstreben, Rivalen k.o. schlagen oder irgendwelche blöden Rekorde aufstellen.. Falls Sie weiblichen Geschlechtes sind, ging es Ihnen noch schlimmer: Da litten Sie unter Toilettenmangel, Farbenwechsel, Seidenstrumfitis und sahen immerzu einen kleinen goldnen Kreis um ihren Finger, bis Sie schwindlig wurden......Nicht wahr? Für beide Geschlechter sind dann noch die Fiebersymptome verbunden: Warten an der Normaluhr, Warten im Lenzfrohen oder herbstgeschmückten Park, Warten im kleinen Cafe‘ an der Ecke, Warten in der Tanzdiele oder sonstwo, wo die Beine geschwenkt werden.....dann die Einbildungsämtlicher großartiger Eigenschaften, wie sie sie gar nicht gibt, an sich als auch an dem betreffenden Gegenstand........Und eine schreckliche, überlebensgroße Jagdleidenschaft, an allen Orten die erwählte Beute zur Strecke zu bringen.......
Ach ja, meine Herrschaften, das alles sind furchtbar schwere, fast unheilbare Krankheitszeichen! Lassen Sie sich nicht durch Scharlatane irgrndwelche Mittelchen aufhängen, die das Übel nur verschlimmern, z.B. goldne Ringe, gedruckte Karten, Aussteuerangebote oder gar – Vorsicht! – Standesamtaufgebot! Nein, hören Sie mich an und meiden sorgfältig alles, was das Leben hervorrufen oder, so es schon eingetreten, es verschlimmern könnte! Essen Sie nichts, trinken Sie nichts, sehen Sie niemals um sich herum! Das sind die Vorbedingungen. Und dann, um niemand anzustecken, befolgen Sie strikte die Regeln: Keine neuen Kleider! Keine Friseurkünste! Kein Sport! Keine Spaziergänge! Keine Reisen! Meine Damen! Wenn Ihnen Ihr Leben, Ihre Herzensruhe lieb ist, so hören Sie auf mich, Professor Hansdampf, der seit 50 Jahren diese Vorschriften genau befolgt: Keine seidnen Strümpfe mehr! Keine kutzen Lockungsröckchen! Kein Schwimmtrikot! Keinen Lippenstift oder Puderdöschen! Keine seelenvollen Augenaufschläge und keinen Bubikopf mehr!
Seit nahezu 50 Jahren bin ich selber der Beweis, wie rasch dann die sogenannte Liebe sich verflüchtigt...... Ich habe der Regierung bereits den Entwurf eines Entwurfes vorgelegt, in dem meine Erfahrungen zu einem allgemeinen Volksgesetz ausgearbeitet werden sollen, daß in absehbarer Zeit die maßgebenden Organe das Übel ausrotten dürften. Schon hat die Stadt (.....) eine Vorschrift erlassen, nach welcher sich jeder strafbar macht, der unter dem Vorwand, eine Familie zu gründen, seine Krankheit auf einen andern übertragen lassen will – und auf dem betreffenden Standesamt wird eine schwarze Liste angelegt, um die Übertreter der Anordnung zuerst in Güte zu ermahnen, ihr strafbares Vorgehen aufzugeben. Denken Sie bloß, was das geben sollte, wenn immer neue Pärchen, die behaupten, an der verflixten Liebe erkrankt zu sein, sich zusammentun und den Unfug weiter verbreiten...... Gar nicht abzusehen sind die Folgen... Haaaaaaalt! Einen Augenblick, meine Herrschaften! Da kommt Welle ....... dazwischen (Heimatort der Braut oder des Bräutigams). Wie -?! Unerhört! Meine Herrschaften! Die Behörden der Stadt ........ ersuchen den Rundfunk, bekanntzugeben, daß eine gewisse (Name der Braut) einen gewissen (Bräutigam) vorbrdachterweise mit den allergefährlichsten Liebesbazillen, die unfehlbar zur Ehe führen müssen, infiziert hat, und alle Rundfunkhörer werden hiermit ersucht, die beiden anzuhalten und festzunehmen.
Die Photographien der Unbefugten werden beim hiesigen Photographen ausgestellt, und keiner von allen meinen Zuhörern wird es wohl unterlassen, dies Paar aufzustöbern und ihm die herzlichsten Glückwünsche auszusprechen! Schluß des Vortrages. Auf Wiederhören, meine Damen und Herren!