Eine Mahnung an die Männer

Es war einmal eine andre Zeit,
Da gingen Mond und Sonne
Als Liebesleut in Einigkeit
Den Lebensweg voll Wonne.

Sie tändelten so früh als spät
Wie ein echtes Liebespärchen,
Doch, wie’s im Ehstand oftmals geht,
Es fand sich bald ein Härchen.

Die Sonne lacht den ganzen Tag,
Im hellsten Lichtgefunkel
Und kam sie abends ins Gemach,
War sie todmüd und dunkel.

Der Mond den halben Tag verschlief
Nach echter Bummler Weise,
Und wenn zur Ruh die Sonne rief,
Ging er erst auf die Reise.

Drob wandelten in Polterton
Sich bald die Liebestöne.
Zuletzt zitiert vor Jovis Thron
Den Herrn Gemahl die Schöne.

Der aber wußte gleich Bescheid,
Er war ja Gott der Götter,
Er schleudert in den Ehestreit
Zunächst ein Donnerwetter.

„Ich dekretiere“, sprach er dann,
„Zu wahren Ruh und Frieden,
Seid, Mond und Sonne, ihr fortan
Von Tisch und Bett geschieden.

Mond soll, weil er so wachen kann,
Nachtwächterdienst verwalten,
Und dazu soll dem guten Mann
Madame das Licht fein halten.

- Was dem Prozesse folgte nach,
Das ist noch heut zu sehen,
Man sieht den Mond am hellen Tag
Schlaftrunken manchmal stehen.

Indes Madame ganz ungeniert
Durch alle Räume steiget,
Mit groß und klein dort kokettiert
Und ihre Reize zeiget.

Den Mond treibt des Dekretes Kraft
Hinaus zur Nacht, der feuchten,
Vom Bett aus läßt durch Dienerschaft
Madame ihm dazu leuchten. -

Ob die Gemüter wieder mal
Sich einen vor Gerichte? -
Fragt nicht, hört lieber die Moral
Der traurigen Geschichte.

Nehmt, Männer, klüglich euch in acht
Vorm Umgang mit den Frauen,
Ihr könnt bei Tage, wie bei Nacht,
Den Schelminnen nicht trauen.

Doch seid vor allem auf der Hut,
Wenn sie Krakehl beginnen,
Wie ihr’s auch dreht, und was ihr tut,
Sie werden stets gewinnen.

W. Wilibald