Rosalie und Amalie


Die eine hieß Rosalie,
Die andere hieß Amalie -
Ich liebt sie alle zwei.
Und keine mochte ich missen,
Mein Herz war mir zerrissen
Und meine Ruh vorbei.

Die eine weiß und hold war
Und rötlich blond wie Gold war
Und schlank – das lieb ich sehr.
Die andere mehr brünett war
Und ein klein wenig fett war!
Das schätz ich fast noch mehr.

Dem blumenreichen Weine
Vom Rheine glich die eine -
Das war mir eben recht!
Doch – feuriger und freier -
Die andre dem Tokaier!
Und das ist auch nicht schlecht.

So hin und her gezogen
Und auf und ab gebogen,
Als wie vom Wind der Ast -
Mit Zaudern und mit Schwanken,
Mit grübelnden Gedanken
Hab ich die Zeit verpasst.

Sie ließen beide mich wandern:
Die eine nahm einen andern
Und ließ mich lächelnd stehen.
Die andre nahm sich einen,
Und mit geknickten Beinen
Konnte ich nach Hause gehen.

Den edlen Wein vom Rheine
Und dem Tokaierweine
Verglich sie einst mein Herz:
Und als verschmähter Freier
In Rheinwein und Tokaier
Ersäuf ich meinen Schmerz.


Heinrich Seidel