Die beiden Liebenden


Ich bin kein großer, reicher Herr,
und sie ist keine hohe Dame,
doch hold, auch ohne Prunkgezerr,
erklingt ein kurzer Schäfername.
Dagegen herzen wir uns frei,
sind sicher vor Verrätertücken,
auch schielet keine Spöttelei,
wann wir uns Knie und Hände drücken.

Im Denken ist sie Pallas ganz,
und Juno ganz im edlen Gange,
Terpsichore beim Freudentanz,
Euterpe neidet sie im Sange;
ihr weicht Aglaja, wenn sie lacht,
Melpomene bei sanfter Klage,
die Wollust ist sie in der Nacht,
die holde Sittsamkeit bei Tage.

Wenn sie an ihrem Tischchen sitzt,
so werd ich scherzend hingewinket:
„Komm, schmücke selbst dein Mädchen itzt,
wie deiner Laun‘ am besten dünket!“
Und mich beflügelt ihr Gebot,
sie unvermutet zu umfangen;
dann schminkt mit hohem Morgenrot
mein Kuss die jugendlichen Wangen.

Drauf‘ leg ich ihr die Schnürbrust an.
Vor Wonne beben mir die Hände.
Das Band zerreißt, so oft es kann,
damit die Arbeit später ende.
Wie flink bin ich nicht stets bereit,
so liebe Dienste zu verrichten!
Doch schneller noch, zur Abendzeit,
das Werk des Morgens zu zernichten.

Wohl hundert Launen, kraus und hold,
umflattern täglich meine Traute.
Bald singt und lacht, bald weint und schmollt,
bald klimpert sie auf ihrer Laute,
tanzt hin und wieder, blitzgeschwind,
bringt bald ein Büchlein, bald Karten,
bald streut sie alles in den Wind
und eilt hinunter in den Garten.

Ich hinterher, ereile sie
in einer sichern, stillen Grotte.
Freund Amor treibt, sie weiß nicht wie,
sie tief ins Dunkel. Dank dem Gotte!
Sie bebt, von meinem Arm umstrickt.
Mein Kuss erstickt ihr letztes Lallen.
Sie sinkt. Ich halte sie entzückt,
Und – halt! – und lasse sie nicht fallen.


Gottfried August Bürger