Das Stelldichein


Das ist die richtige Stelle:
die Linde am Straßenrain
und drüben die alte Kapelle;
hier ist das Stelldichein.
Die Sterne am Himmel stehen,
die Glocke im Dorf schlägt acht.
Von Elsbeth ist nichts zu sehen. -
Ich hab‘ mir’s gleich gedacht.
Sie kann sich nicht trennen, ich wette,
vom Spiegel daheim an der Wand
und nestelt an Spange und Kette
und zupft an Tüchlein und Band.
Am Ende lässt sie mich hier harren
die liebe, lange Nacht.
Gewiss, sie hat mich zum Narren. -
Ich hab mir’s gleich gedacht.
Vielleicht – o du falsche Schlange!
Jetzt wird mir’s auf einmal klar,
warum der Frieder, der lange,
heut morgen so lustig war.
Der Schrecken lähmt mir die Glieder,
ich bin betrogen, verlacht,
die Elsbeth hält’s mit dem Frieder. -
Ich hab‘ mir’s gleich gedacht.
Ich hebe zum Schwur die Hände
zum Sternenhimmel – doch halt,
was kommt durch das Wiesengelände
vom Dorf herüber gewallt?
Ich sehe zwei niedliche Füße,
sie nahen sich zaghaft und sacht,
sie kommt, die Treue, die Süße. -
Ich hab‘ mir’s gleich gedacht.


Rudolf Baumbach