Die Ballade vom verkauften Assessoren   (Probezeit Beamte)


In Bozen war’s, vorm schwarzen Greisen,
Am Platze, wo Herr Walter steht,
Zur Zeit, da schon die Kirschen reifen,
So Mitte Mai, - und abends spät.

Die grellen Bogenlampen strahlten,
Fahlgelb erschien der Mond vor Neid -
Die Gäste standen auf und zahlten,
Dieweil um zehn Uhr Schlafenszeit. -

Nur einer schnippelt mit dem Messer
An seinem Käse noch herum,
Aus Luckenwalde ein Assessor,
Und schaut ins Bierglas stier und stumm.

Und ihm zur Seite sitzt die Gattin -
Auch aus der Gegend, wie es scheint -
Erst ehegestern nämlich hat ihn
Des Himmels Segen ihr vereint.

Allein kein taubenhaft Gebaren
Zeugt von so jungem Ehebund -
Sie sind ja Tag und Nacht gefahren,
Das bringt die Stimmung auf den Hund.

Ihn kann man etwas üppig finden,
Ihr mangelt jeder Fülle Spur,
Es unterscheidet vorn und hinten
Nur wenig sich von der Kontur.

Die Augen grau, der Mund gewöhnlich,
Kinn flüchtig und die Nase breit,
Der ganze Stil höchst unpersönlich,
Von selbstbewusster Nichtigkeit. -

Dagegen er - ! Ein Vollgermane,
Noch jeder Zoll ein Korpsstudent,
Der unentwegt hochhält die Fahne
Des, was man „höchste Güter“ nennt.

Ein forscher Kerl mit sieben Schmissen,
Und, bis aufs Fettherz, kerngesund,
Der trotz enormen Hindernissen
Zwei Staatsexamen bestund.

Harmonisch floss bisher sein Leben,
Wie ein Armeemarsch stramm dahin...
Nicht jeder Jüngling sieht so eben
Den Weg vor sich von Anbeginn.

Doch ach! Die Existenz hienieden
Fast nie ganz tadellos verläuft -
Auch des Assessors Seelenfrieden
Ward eines Tages jäh ersäuft.

Sein alter Herr, der stets Solvente,
Stieß den bewährten Usus um
Und reduziert des Sohnes Rente
Urplötzlich auf ein Minimum.

Und da der Staat die Assessoren
Nicht standesmäßig unterhält,
Sah unser Freund sich wie verloren
In dieser rücksichtslosen Welt.

Welch Ausweg steht dem Manne offen,
Der pekuniär am Rande ist?     (Geldlich)
Nur von der Eh ist was zu hoffen,
Zumal, wenn er vom „Stande“ ist.

So rettete der Freund auch balde
Mit kühnem Schwung sich in die Eh,
Ein Fräulein zart aus Luckenwalde
Besaß das große Portemonnaie.

Vereinigt werden Herz und Hände,
Man kann wohl sagen: Vom Fleck weg,
Des Schwiegersohnes Außenstände
Bereinigt durch des Vaters Scheck.

Die Sehnsucht nach dem Süden trieb sie,
Bis Bozen man, wie üblich fuhr;
Postkarten viel mit Ansicht schrieb sie,
Er kneipte Bier teils – teils Natur.

Er saugt an seinem Weichselrohre,
Und auch am fünften Glase schon,
Da flüstert sie an seinem Ohre:
„Nein, Otto, sieh bloß die Person!“

Er schaut – dort, wo die Schatten dunkeln
Um einen Oleanderstrauch,
Sieht er vier schwarze Augen funkeln,
Vernimmt ein ruchlos Kichern auch.

Ein Mädel vom Apezzotale,
In blütenweißem Faltenhemd
Und schwarzem Mieder, auf das schmale
Wieghüftlein keck die Faust gestemmt. -

So kokettiert die kleine Schlange,
Mit einem hübschen Leutenant,
Der streichelt ihr die braune Wange
Und löst ihr seidenes Schürzenband.

Von ihrer Brust dem Schnurrbartträger
Die schönste Rose just sie reicht ...
Wie tut ein flotter Alpenjäger
Sich doch bei diesem Mädchen leicht.

Assessor Otto starrt erblassend,
Wie auf ein Schrecknis, auf dies Paar,
Und, die Zigarre ausgehn lassend,
Fährt er sich durch das Borstenhaar.

Wär’s etwas länger nur gewesen,
Vor Wut hätt er sich‘s ausgerauft:
Ein Mann zum Höchsten auserlesen -
Und nun – um schnödes Geld verkauft!

Wie duftete die blütenschwere,
Die südlich süße Maiennacht!
Um ihn nur gähnt die öde Leere - -
Und dies ist seine Hochzeitsnacht!

Man muss doch seiner Pflicht genügen,
Ihn schaudert, wenn er nur dran denkt!
Vermutlich wird sie Kinder kriegen,
So viel als ihr der Himmel schenkt!

Das werden lauter Sauertöpfe,
Plattnasig, wie die Frau Mama,
Philister, freudearme Tröpfe,
Gleich wie ihr Krämer Großpapa!

Indessen auf der Ehrenleiter
Steigt er empor zur Exzellenz,
Und sie verknöchert immer weiter,
Mit der ihr eignen Konsequenz.

Dafür hat man sich nun geschunden,
Dafür biereifrig stets gestrebt!
Die roten Adern unterbunden -
Mit zweiunddreißig ausgelebt!

War man zur Herrlichkeit geboren
Nicht auch wie jener Leutenant!
Zum Rosenbrechen nicht erkoren?
Den Erdengöttern nicht verwandt?

O heiliger Brahma! Welch entzücken
In dieser Welschlands Üppigkeit,
Ein süßes Weib ans Herz zu drücken,
Sei sie auch nur „Bedienungsmaid“.

Heiliger Bimbam! O, wie wollt er ...
Da zupft die Gattin ihn am Rock:
„Hier Otto!“ ... Unterschreiben sollt er
Der Ansichtskarten erstes Schock.

„Ach bitte, schreib nach Posemuckel
An Tante Jettchen einen Gruß -
Weißt du nicht mehr? Die mit dem Buckel
Und mit dem etwas kurzen Fuß.

Er unterschreibt. Ein blöd Getue. -
Sie lächelt dumm, er lacht gequält. -
Und dann begibt er sich zur Ruhe
Mit ihr, die er sich auserwählt. -


Ernst von Walzogen