Zigeunerin

(Zigeunerin guckt durch den Türspalt, tritt zaghaft ein, bleibt in der Nähe der Tür stehen)

Was für scheene Damen,
was für scheene Herrn!
Und die Lichterfülle!
So was hoab ich gern.

Is hier etwa Hochzeit?
Ei, dann lasst mich ein,
(geht nahe zum Brautpaar)
denn die Zukunft deuten
kann ich nämlich fein.

Müsst bloß nicht verachten
der Zigeunerin,
hat nich schenne Kleider,
abber sechsten Sinn.

Zeig die Hand, du hibscher,
junger Ehemann,
will gleich dir hier sagen,
was noch kommen kann.

Übern Weg wird kommen
falscher, dunkler Mann,
wird dein Freind sich nennen,
sieh dich vor alsdann.

Is er auch serr freindlich,
zieh dich klug zurück,
denn er kennte stören
dir dein großes Glück.

Dunkle Abendstunde
bringt dir freid‘gen Schreck,
nämmlich große Erbschaft
über weiten Wegg.

Kommst zu hohen Ehren,
das ist ganz gewiss,
musst bloß überwinden
manches Hindernis.

Und du musst dich hüten
serr vor Frauenlist,
weil du so ein schenner
fescher Mann halt bist.

Märchenaugen hast du,
das seh ich genau -
wird manch Märchen hören
deiner kleinen Frau!

Bloß – ob sie wird glauben,
is noch nich heraus,
denn sie sieht mir nämlich
mächtig „helle“ aus.

Sei nur immer nobel
mit das Wirtschaftsgeld,
weil’s in deinen Händen
sich nich lange hält.

Nun zu dir, mein Bräutchen,
zeig das Händchen her.
Oh, die Schicksalslinie
geht ja kreiz und quer!

Zeigt das Ehewetter
sich veränderlich,
macht nichts, alles wendet
stets zum Guten sich.

Drum wird es dir immer
gut im Leben gehen
und die Männer werden
dich serr gerne sehn.

Schlägst mit deiner Tugend
alle in die Flucht,
dennoch wird dich quälen
„seine“ Eifersucht.

Lass dich das nicht schrecken,
lach ihm ins Gesicht.
Hunde, die laut bellen,
beißen nämlich nich.

Höre zu: Sollst spielen
in die Lotterie,
in der Nummer fehlen
darf die „sieben“ nie.

Dann is dir ganz sicher
mal das große Los,
fabelhafter Reichtum
fällt dir in den Schoß.

Und dann wirst du reisen
immer kreiz und quer
mit dem Herrn Gemahle
übers ferne Meer.

(guckt beide in die Hände)

Hm ... die Lebenslinie
zeigt bei Mann und Frau
ein serr hohes Alter ...
Guckt mal – ganz genau!

(zum Bräutigam)

Diese Nebenlinie
deutet hohen Sinn,
darum lohn auch nobel
der Zigeunerin.

Helene Szpitter