Das kleinste Übel

Es lebte einst im Griechenland
Demokritos, der Weise,
Der war als Grobian bekannt
In seiner Freunde Kreise.
Der hatte sich nach altem Brauch
Ins Ehejoch begeben auch,
Und sich zu seinem Frommen
Die kleinste Frau genommen.
Das dünkte allen wunderbar,
Und jeder drum begierig war,
Wie er sich mocht bequemen,
Die kleinste Frau zu nehmen,
Da er doch selber groß und stark -
Ein Goliath von Kraft und Mark. -
So fragt man dann den Grobian,
Wieso es sei gekommen,
Dass er, der große, starke Mann
Die kleinste Frau genommen? -
Und mit der Antwort gleich bereit,
Spricht lachend er: „Ja, liebe Leut‘,
Es ist und bleibt das Ehejoch
Wie eine rohe Zwiebel:
Man weint dabei und isst sie doch -
Ich nahm das kleinste Übel:
Und manchen Vorteil nebenbei,
Wie ich will euch bekennen,
Gewährt dies kleinste Übel, frei
Will ich sie Euch jetzt nennen:
Sie isst nicht viel, sie trinkt nicht viel,
Sie braucht nicht viel zum Kleide
Und kann deshalb bei Tanz und Spiel
Stets gehn in Samt und Seide.
Dazu ihr Füßchen nett und klein,
Braucht winzige Sandalen -
So habe ich Jahr aus, Jahr ein
Nur wenig zu bezahlen!
Das sind die Gründe, welche mir
Zu ihrer Wahl getrieben
Und doppelt darum werde ich
Das kleinste Übel lieben!“ - -
So Demokrit, der Grobian,
Der anders nicht zu nennen,
Denn heut wird jeder Ehemann
Ganz frei mit uns bekennen!
Ein Grobian in Wort und Tat
War er in allen Fällen,
Drum bringen wir ein Pereat
Dem windigen Gesellen! -
Auch unser junger Ehemann hier
nahm sich ein kleines Frauchen,
Doch wird er wohl, so hoffen wir,
Gar niemals nicht gebrauchen
Die giftige Gentenz, womit
Der böse Spötter Demokrit
Die Damenwelt beschimpfte,
Und sie als „Übel“ impfte!
Demokritos, der Weiberfeind
Und Heide ist gewesen,
Hat’s auch wohl nicht so bös gemeint,
Wie wir es stets gelesen,
Dass er etwas, wie mir bekannt,
Direkt entstammt aus Gottes Hand,
Ein „Übel“ hat geheißen,
Wer möchte das beweisen! -
Wir Christen sind so gottlos nicht,
Und nicht so pflichtvergessen,
Zu sprechen wie Demokrit spricht,
Darf keiner sich vermessen! -
Die Frau wird von uns höchst galant
Die bessere Hälfte stets genannt,
Und Hauskreuz, wenn wir bös sind,
Und oft, wie sie, nervös sind!
Beglückt, der einst nach Jahren noch
In diesem Eheorden
Zufrieden sagt: Mir ist denn doch
Das kleinste Kreuz geworden! -
Und darauf will ich’s wagen,
Und rufe: Hoch der Herr Gemahl!
Möge er in diesem Erdental
Sein Kreuz geduldig tragen! -