Der Braut am Hochzeitstag

Hier, unterm Blick prophetischer Sterne,
weih ich dies Hochzeitsfest voraus:
Tief schaut die Muse in die Ferne
des bräutlichen Geschicks hinaus.

Wie golden wirkt die neue Schwelle
des Lebens jedem jungen Paar!
Doch weiß man, dass nicht stets so helle
der Mittag wie der Morgen war.

Heut aber seh ich schöne Tage
blühn in gedrängter Sternensaat,
entschieden liegt schon auf der Waage,
was dieses Paar vom Schicksal bat.

Hast, Liebchen, du der Jugend Blüte.
Anmut und Liebenswürdigkeit,
all deines Herzens lautere Güte
kühn deinem Einzigen geweiht:

läßt du der Heimat Friedensauen,
so manch ein lang gewohntes Glück,
um dir den eigenen Herd zu bauen,
halb wehmutsvoll, halb froh zurück:

Getrost! So darf ich laut es zeugen.
ein würdig Herz hast du gewählt:
selbst böser Neid bekennt mit Schweigen,
dass nichts zu deinem Glücke fehlt.

Denn Heiterkeit und holde Sitte,
wie Sommerluft, durchwehn dein Haus,
und, goldbeschuht, mit leisem Tritte
gehen Segensengel ein und aus.


Eduard Möricke