Eine Freundin der Braut

Hier erntet Freundschaft herben Lohn:
Schön Elschen schleicht sich still davon,
lässt uns im Stich, gesellt sich traut
Herrn Müller zu und nennt sich Braut.

Ihm, der die Maid gefangen nahm,
sind wir in tiefster Seele gram,
denn, was er uns zuleide tat,
grenzt nahezu an Hochverrat.

Er riss die Lücke – seht sie doch! -
in unsern Ring. Wer stopft das Loch?
Wer füllt das leere Nest, den Platz
von Else, schafft für sie Ersatz?

Ein strenges Urteil hat mein Bund
gefällt und gibt es hiermit kund:
Der Bräutigam kommt vor dem Fest
sofort als Gatte in Arrest.

Nie darf er ab jetzt ohne sie,
die seine Wahl ist, spät und früh
das Tanzbein schwingen, Posten stehen,
wo Mädchen viel spazieren gehen.

Theater wird ihm und Konzert
für den Alleingenuss gesperrt.
Und Reisen nach dem Badestrand?
Nur mit der Gattin Hand in Hand!

Du, Else, sühnst die Unvernunft
im goldenen Buch der Mädchenzunft:
Dein Name prangt darin nicht mehr,
wir streichen ihn auf Volksbegehr.

Der Titel, der dem freien Stand
gebühret, ist dir aberkannt;
du dienst, verrichte nun genau
dein Tagewerk als schlichte „Frau“.

Dass ich euch solchen Scheidegruß
in ernstem Ton entbieten muss,
drückt mir das Herz, beschwert mein Blut,
ich bin euch leider noch zu gut.

Inzwischen ward mir eines klar:
Im bösen Beispiel liegt Gefahr,
leicht wird, wer Liebesleute neckt,
vom Geist der Liebe angesteckt.

Das darf auf keinen Fall geschehen!
Rasch will ich meiner Wege gehen,
mich rettend vor der Ehe Joch. -
Du, freies Leben, lebe hoch!

Liedtke