Ich ging am grünen Berge hin,
Wo sich der Weih im Äther wiegt
Und reisemüd der Sonnenstrahl
Ausruhend auf der Quelle liegt,
Wo wilde Rosen einsam blühn,
Die Föhre hoch den Gipfel kränzt
Und drüberhin noch eine Burg
Von weissen Sommerwolken glänzt.
Und wie in solcher Weihezeit
Der Herr der Welt schon zu mir trat,
Erschien er jetzo in des Bergs
Noch frisch ergrünter Eichensaat;
Der jungen Stämme schlanke Schar
Umschwankte säuselnd seine Knie,
So groß und herrlich ging er her
Vor meiner regen Phantasie!
Sein Haupthaar war wie Morgengold
Und wallte gar so reich und schwer,
Und in den klaren Augen ruht’
Ein ätherblaues Liebemeer;
Ein Regenbogen gürtete
Sein Kleid mit edler Farbenlust;
Er trug ’nen duftigen Blütenstrauss
Von jungen Linden an der Brust.
Es traf mich seiner Augen Licht
Wie wolkenlos ein Tag im Mai,
Und als er meinen Namen sprach,
Erhob mein Haupt ich stolz und frei.
Ich wuchs und rankte rasch empor,
Dass ich mir selbst ein Wunder schien,
Und wandelte mit leichtem Schritt
An Gottes hoher Seite hin.
Und nun erzählte plaudernd ich
Dem Herrn mein irdisch Tun und Sein;
Doch alles dies besteht ja nur
In dir, du gutes Kind, allein!
Aus vollem Herzen sprach ich drum
Von dir, von dir die ganze Zeit;
Er aber spiegelt’ lächelnd sich
In meiner frohen Seligkeit.
Dann trug ich ihm auch klagend vor,
Wie ich so sehr ein armes Blut,
Und bat darauf um Haus und Hof,
Um Tisch und Schrein, um Geld und Gut,
Um Garten, Feld und Rebenland,
Um eine ganze Heimat traut,
Darin ich dich empfangen könnt’
Als myrtenschöne Schleierbraut.
Es musste doch einmal geschehn,
Drum schilt mich nicht und werd nicht rot!
Hör’ an, was mir der Herr für dich
Für eine wackre Mitgift bot!
Er sprach: "Zu wenig und zu viel
Hast du verlangt, mein lieber Sohn!
Drum tu’ ich dir noch viel dazu
Und nehm’ ein wenig auch davon.
Nicht Haus und Hof verleih’ ich euch,
Doch meine ganze große Welt,
Darinnen ihr euch lieben könnt,
Wie’s euren Herzen wohlgefällt;
Zwei jungen Seelen ist zu eng
Das größte Haus, sei’s noch so weit;
Doch finden sie noch eben Raum
In meiner Schöpfung Herrlichkeit.
Der ganze Lenz soll euer sein,
So weit nur eine Blume blüht,
Doch nicht das allerkleinste Land,
Um das sich eine Hecke zieht.
Kein Prunkgetäfel geb’ ich euch,
Kein Silberzeug, kein Kerzenlicht,
Weil sich ob Silberbronnenglanz
Goldstern an Stern zum Kranze flicht.
Und alles soll besonders blühn
Für euch und schöner, wo ihr geht,
Dieweil euch in mein Paradies
Ein eigen Pförtlein offen steht.
So führe deine junge Braut
Getrost in deine Wirtschaft ein,
Brautführer soll mein lieblichster
Und allerschönster Frühling sein!
Hofjungfer soll die Anmut sein
Bei deines Herzens Königin,
Ihr hübscher flinker Page sei
Ein immergrüner Jugendsinn!
Zum Haushofmeister geb’ ich euch
Ein unvergänglich Gottvertraun,
Es ist ein klug erfahrner Mann,
Und Felsen dürft ihr auf ihn baun!"
Ist unser Haus nicht gut bestellt
Und auserlesen das Gesind?
So zaudre nun nicht länger mehr
Und folge mir, du blödes Kind!
Ich glaub’, auf deinen Wangen spielt
Vom Morgenrot ein Widerschein:
Sobald die Sonn’ am Himmel steht,
Will ich als Freier bei dir sein.
Gottfried Keller