Das Salzfass
Am Tische saß ein junges Ehepaar,
Es war bereits seit vierundzwanzig Stunden
Durch Priesterhand an dem Altare verbunden;
Kein Wunder, dass es überglücklich war,
Dass ihre Blicke sel’ge Wonne zeigten. –
Der Himmel hängt bei ihnen noch voller Geigen,
Die Liebesgötter singen Melodien.
So süß, dass Gram und Unmut schnell entflieh’n!
„Nie soll aus uns’rem Haus die Eintracht weichen,
Mein holdes Jettchen;“ spricht der junge Mann,
„Nie soll ein Zwist dir je die Wangen bleichen,“
Und sieht dabei sein Weibchen schmachtend an.
„Mein guter Fritz, was ich dir an den Blicken
Absehen kann, das wird sogleich gescheh’n,“
Ruft Jettchen zärtlich, sinkt dann vor Entzücken
An seine Brust. – Kann man was Schön’res seh’n?
Doch bei dem Sinken stößt sie mit den Armen
Das erst gefüllte Salzfass um.
Und hastig spricht sie: „Dass sich Gott erbarm!
Das war von mir wahrhaftig mehr als dumm!“
„Was ist gescheh’n, lieb Jettchen?“ –„Süßes Leben,
Das Salzfass – sieh doch nur das Salzfass an –
Da liegt’s, nun wird es Zank ganz sicher geben.“
„Ei, Gott bewahre! denk‘ doch nicht daran!
Wie kann ein Salzfass uns’re Eintracht stören.“
„Und doch ist’s so mein Fritz, - ich werde krank!
Von meiner Mutter musst‘ ich immer hören:
Wenn’s Salzfass fällt, dann gibt es sicher Zank.“
„Ei, deine Mutter scherzte, liebes Weibchen.“ –
„Mit ernsten Sachen scherzte Mutter nie.“ -
„Du bist so sanft und fromm ja wie ein Täubchen,
wie käme da der Zank zu uns wohl, wie?“
„Ja freilich bin ich sanft“, spricht Jettchen kläglich,
„Allein, wenn’s Salzfass fällt“ – „Mein Engel lass
Das Salzfass ruh’n, ich lieb dich ja unsäglich,
Und zanken wird ich nie,“ so brummt im Bass
Der junge Mann, - „nun lass uns ruhig essen!“
Frau Jettchen nimmt zwei Löffel Suppe ein,
Dann spricht sie seufzend: „Fritz – es geht nicht – nein,
Ich kann das böse Salzfass nicht vergessen!
Es wär‘ doch arg, wenn gleich am ersten Tage
Ein Streit sich unter uns entspönne, Fritz!“
„Mein Engel, mach dir deshalb keine Plage,
Das mit dem Salzfass, Kind, ist nur ein Witz“. –
„Nein, lieber Mann, es ist kein Witz, seit Jahren
Hat meine Mutter es erfahren;
Wenn’s Salzfass fiel, da gab es Zank sogleich.“
„So schweig‘ doch nur von solchem dummen Zeug,“
Ruft Fritz verstimmt. – „Was sagst du da, mein Lieber?
Du sprichst von dummem Zeuge, teurer Schatz?
Ich glaube, süßer Fritz, du hast das Fieber!
Der Ausdruck war hier nicht an seinem Platz!“
„Platz hin, Platz her, lieb Jettchen! deine Klagen
Um so ein Salzfass, ich sag’s ungeniert,
Die kann wahrhaft’ger Gott, kein Mensch ertragen!“
So spricht der sanfte Fritz etwas pikiert.
„Ei, bin ich dir schon lästig, Fritz? Gebrechen
Bemerkst du schon an mir? Ei, das geht schnell.“
„Wie kannst du, Kind, so unvernünftig sprechen?
Ich meine“ ......-„Was du meintest, wird mir hell,
Erst dummes Zeug – dann unvernünftig, - freilich
Ich bin ein Gänschen, bin zu dumm für dich.“
„Nein Jettchen, du bist wirklich recht abscheulich“ –
„Nun auch abscheulich? Ich bedanke mich!
Das Salzfass, - ja das Salzfass!“ „Du sollst schweigen
Von deinem Salzfass“ – „Nein, das brauch‘ ich nicht!
Ich werde nie mich untertänig zeigen,
Wenn man so diktatorisch mit mir spricht.
Wirft man ein Salzfass um, sagt meine Mutter“ –
„Ach, deine Mutter ist ne Frau vom Land!“
Ruft Fritz ergrimmt, und schmeißt, wie Martin Luther
Das Tintenfass, den Löffel an die Wand.
Das Zeichen zu der Schlacht war nun gegeben,
Die Eintracht gab der Zwietracht ihren Platz;
Man hörte nicht mehr: „Engel – süßes Leben“
„Tyrann – Barbar“, erscholl’s aus Jettchens Munde –
„Angehende Xantippe,“ schrie Herr Fritz mit Wut.
Und so bekam ein jeder seine Wunde –
Was doch nicht alles so ein Salzfass tut!
Nachdem sich nun die feindlichen Parteien
Rein ausgesprochen hatten, warf Herr Fritz
Sich in den Lehnstuhl, um sich zu zerstreuen,
Und Jettchen nahm am Fenster ihren Sitz.
Aus ihren Augen flossen sanfte Tränen,
Aus ihrem Munde drang ein „O!“ und „Ach!“
Und unser Fritz fing herzhaft an zu stöhnen,
Und stöhnte jedes „Ach“ ein paarmal nach.
Zuletzt begegneten sich ihre Blicke,
Zuerst ganz flüchtig, später länger, dann –
Ihr war’s, als ob er mit dem Kopfe nickte,
Er las in ihrem Auge: „lieber Mann!“
Da konnte sich der Gute nicht mehr halten,
Schnell sprang er auf, umarmte herzlich sie,
Und sprach gerührt: „Es bleibt beim Alten,
„Zank, liebes Jettchen, gibt es nie mehr, nie!“
„Nie mehr,“ sprach Jettchen. „Du mein süßes Leben!
Ertragen will ich alles mit Geduld –
Auch ich bin an den heut’gen Streit nicht schuld:
Das Salzfass fiel, da musst‘ es Zank ja geben!“
Nun die Moral: fest könnt ihr drauf bauen,
Stellt in der Eh‘ sich Zank und Hader ein,
So sind unschuldig stets die guten Frauen,
Das Salzfass trägt die Schuld nur ganz allein.
U. Görner