Das Brautpaar vor der Strafkammer
Mitwirkende: Der Vorsitzende der Strafkammer
Vier Beisitzer
Der Staatsanwalt
Der Verteidiger
Zwei Gerichtsbüttel
Dekoration: Richtertisch mit fünf Stühlen. Rechts und links ein kleiner Tisch für Staatsanwalt und Verteidiger. Davor die Anklagebank für das Brautpaar. Zum Beginn stellen die beiden Gerichtsbüttel die im Nebenraum bereitgestellten Tische und Stühle auf.
Vorsitzender:
Es ist so Weltgesetz von Anfang an,
dass keine Sache ewig dauern kann.
Dem lockeren Leben der verdorbenen Welt
wird stets zur rechten Zeit ein Ziel gestellt.
Das sündige Treiben führt zuletzt zur Wandlung
und endet mit der strengsten Strafverhandlung.
Und mancher scheinbar Unbescholtene sank
sodann herab auf die Anklagebank.
Damit das Recht nicht an Unterdrückung leide,
sitzt die Mitschuldige an des Schuldigen Seite.
Zum Himmel schreit die schwarze Tat empor,
drum, Büttels, führt die Angeklagten vor!
(Die Büttel ergreifen das Brautpaar und führen es auf die Anklagebank)
Vorsitzender:
Die Angeklagten sitzen dort.
Herr Staatsanwalt ergreift das Wort;
Denn ein Verhör braucht’s nicht bei diesen,
weil ihre Schuld ist klar erwiesen.
Staatsanwalt:
Im Namen der Gerechtigkeit,
als jeder schwarzen Tat Verächter,
als des Gesetzes strengster Wächter,
erschein ich hier im Amteskleid
vor diesem hohen Tribunal,
zu wahren Sitte und Moral –
In einer furchtbar ernsten Sache,
denn jedes Unrecht fordert Rache.
Besonders hier bei diesen zwei’n
muss äußerst hart die Strafe sein.
Auch bitt‘ ich, bei den beiden Kecken,
sogleich die Strafe zu vollstrecken.
Erster Beisitzender:
Ja, darin sind wir gleichen Geistes,
o heiliger Remesis, du weißt es,
hier darf man keine Nachsicht üben,
denn beide fischten oft im Trüben,
besonders „er“ war kein Philister
und hat ein langes Strafregister. (in den Akten blättern)
Auch ist die Braut nicht sündenfrei –
Ihr Strafkonto zeigt mancherlei,
mitunter sogar dunkle Sachen;
Mit Schöffen war da nichts zu machen,
da wäre schließlich man gewärtig,
die würden mit dem Paar nicht fertig –
Drum tun fünf Richter ihre Pflichten,
denn hier gibt’s schauderhaft zu richten!
Zweiter Beisitzer:
Und mildes Urteil gibt’s hier nicht,
wir üben strengstes Strafgericht.
Nichts gibt’s von Milde oder Gnade,
umsonst ist hier ein Advokate,
denn es ist um die Verteidigung nur schade!
Es wär‘ die Mühe ‚ne verlor’ne;
Wir brauchen hier auch nicht Geschwor’ne.
Das Urteil ist hier rasch gesprochen
Und über’s Paar der Stab gebrochen.
Der Henker –weh – nehmt euch in acht,
hat schon sein Richtschwert scharf gemacht.
Verteidiger:
Hoher Gerichtshof! Ich muss bitten:
Warum soviel herumgestritten,
wozu das eifrige Gered‘,
bevor man hört , worum sich’s dreht!
Als Rechtsbeistand der Angeklagten,
die sie bisher noch gar nicht fragten,
ob sie auch schuldig sich bekennen,
bitt‘ ich die Straftat erst zu nennen!
Und wenn man hier behauptet frei,
das Verteidigung hier unnütz sei,
dann führe ich sofort Beschwerde
bei einer höheren Behörde!
Ich sitze hier nicht bloß zum Späßchen!
Vorsitzender:
Herr Verteidiger! – Bitte sich zu mäßigen!
Bestraft wird sonst ihr keckes Spiel
Nach Paragraph so und so viel!
Ich bitte, der beklagten Wesen
jetzt aus den Akten vorzulesen.
Dritter Beisitzer:
Was die Gefangenen betrifft,
so zeigt uns die Anklageschrift,
dass, - ohne auf’s Gesetz zu achten
sie schwerer Tat sich schuldig machten.
Er freut sich nicht besondern Ruhms,
denn Strafantrag wird hier erhoben
wegen Schädigung fremden Eigentums.
Dann wegen Straßenunfugs – groben!
Beschuldigt ist er vielemal
auch wegen schwerem Nachtskandal
und wiederholter Menschenqual;
Auch trieb er Völlerei oft derb –
sogar unlautern Wettbewerb.
Und dann beging er, unbestritten,
sehr oft Verletzung guter Sitten.
Auch trieb er manchmal nebenbei
ganz heimlich Pfuscherei
und sonstige Gesetzbeleidigung.
Vierter Beisitzer:
Was sagt dazu die Verteidigung?
Das liegt ganz klar doch auf der Hand,
mein wertester Herr Rechtsbeistand,
dass, wo ein Mensch sich so vergeht,
es schlecht mit der Moral auch steht!
Da gibt es für so schwere Sünde
doch sicher keine Mildheitsgründe,
wenn wir nicht etwa glauben sollen
dass sie das Recht verdrehen wollen!
Verteidiger:
Ich will, bevor wir weiter gehen,
die Klagobjekte näher sehn.
Wenn wir die Sache richtig schildern,
dann wird sich auch das Urteil mildern.
Was soll hier Eigentumsschädigung heißen?
Ich bitte, mir das zu beweisen!
Staatsanwalt:
Als Zeugen hierbei schwer aussagten
die Eltern der Mitangeklagten:
Als nämlich dieser Inhaftierte
zu oft die Wohnung frequentierte,
da hat er schnöde unterdessen
zwei Sofapolster durchgesessen;
Hat ruiniert, das ist keine Lüge –
Fast alle Rohrstuhlüberzüge.
Und bei dem Tätscheln und so weiter –
Zerschabte er der Braut vier Kleider,
und was er sonst den Schwiegereltern
noch kostet so an baren Geldern
für das, was er verschnabuliert,
ist nur annähernd hier notiert:
An Wurst und Schinken waren‘s rund
So hundertfünfundzwanzig Pfund.
Dann brauchte er – es war eine Not
so fünfundachtzig Kilo Brot.
Genau verzeichnet steh‘n für Bier
zweihundertvierzig Liter hier.
Auch machte er noch großen Schaden
an Hasen, Gans und ander‘m Braten,
den stumm der Schwiegervater trug.
Verteidiger:
Und wie war‘s mit dem Straßenunfug?
Vorsitzender:
Nun, das war eben schlimm genug:
Er küsste oft in frechem Maße
die Angeklagte auf der Straße
und nicht etwa in der Erregung –
er tat’s mit Vorsatz und mit Überlegung.
Und sie hielt still stets ganz geduldig,
ist drum im gleichen Maße schuldig.
Verteidiger:
Ja, dieser Punkt ist recht fatal!
Doch wie steht’s mit dem Nachtskandal?
Erster Beisitzer:
Darüber die Anklage schreibt:
Nachts ging er heim oft schwer bekneipt
und schrie und sang – es war empörend,
kurz, er benahm sich ruhestörend;
Ja, er verhöhnte noch dabei
die hochwohllöbliche Polizei!
Verteidiger:
Schlimm – schlimm! – Doch sei zunächst erzählt,
wieso er Menschen hat gequält.
Zweiter Beisitzer:
Ja – hier grad liegt der Hund begraben,
er wollte jedes Mädchen haben.
Ob Liese, Else, Lenchen, Hilda,
ob Kätchen, Anna, Paula, Milda,
ob Gretchen, ob sie Martha hieß –
nicht eine er in Ruhe ließ.
Er quälte alle bis aufs Blut,
und eher hat er nicht geruht –
Bis jede sich – es ist kaum zu fassen –
von dem Bösewicht hat küssen lassen!
Herr Rechtbeistand – gestehn sie frei:
Ist das nicht Menschenquälerei?
Verteidiger:
Nein, das grenzt mehr an Menschenliebe. –
Nun heißt’s dass Völlerei er triebe?
Dritter Beisitzer:
Oh, Darin kann er sich nicht mäß’gen:
Er steckt die Nase gern ins Gläschen.
Ob Bier – ob Weißwein oder rot,
er zecht, bis er manchmal halb tot.
Oh, manch Gesicht, manch schreckensbleiche,
sah ihn da manchmal schon als Leiche!
Und gute, delilate Happen
kann er – fast wie ein Haifisch schnappen;
Mit Wollust pflegt er seinen Bauch.
Verteidiger:
Na, sowas tun doch andre auch. –
Nun zur Verletzung guter Sitten!
Staatsanwalt:
Da möchte ich den Gerichtshof bitten,
das öffentlich nicht zu erörtern,
von wegen manchen schlechten Wörtern,
die oft der Angeklagte spricht;
Das passt für’s heimliche Gericht
und nicht hier in den offenen Saal –
verletzt wird hier zu leicht die Moral!
Verteidiger:
Was hat der Angeklagte nun
mit der Cour-Pfuscherei zu tun?
Vorsitzender:
Es genügen wenige Worte nur:
Schneidet einer Maid die Cour,
ist der ihr auch gleich auf der Spur.
Und leis er zu dem Mädchen huscht,
dass jenem er ins Handwerk pfuscht
und er dann Hahn im Korbe sei.
Nun – ist das nicht „Cour-Pfuscherei?“
Verteidiger:
Grundsätzlich ich hier gar nichts sage.
Nun zur Gesetz-Beleidigungsfrage!
Vierter Beisitzender:
Das ist die allerschwerste Klage.
Er hat – bewiesen ist das schon –
für das Gesetz nur Spott und Hohn!
Und überflüssig er es hält
und macht daher was ihm gefällt,
verlacht die heiligsten Paragraphen,
drum muss man strengstens ihn bestrafen,
denn aus ist es jetzt mit der Geduld!
Verteidiger:
Und wessen ist die Braut nun schuld?
Vorsitzender:
Oh, darin liegt ihr Hauptverbrechen,
dass sie in allen seinen Schwächen
ihm jederzeit zur Seite steht.
Staatsanwalt:
Die hat ihm erst den Kopf verdreht;
Und zu der Bahn, die er jetzt schreitet,
hat sie absichtlich ihn verleitet!
Er hat in ihre Schelmenaugen
nur recht hineinzugucken brauchen.
Da brannte er schon lichterloh (die Braut ansehend)
mir geht’s – weiß Gott – fast ebenso!
Erster Beisitzer:
Das grenzt an Brandstiftung sogar.
Zweiter Beisitzer:
Die Sache ist doch längst schon klar,
in vielen Herzen - liebbewegt,
hat sie schon Feuer angelegt.
Dritter Beisitzer:
Und mancher ist dabei „verkohlt“,
wenn er sich einen Korb geholt.
Vierter Beisitzer:
Darum ist es Gerichtshofs Sache,
dass man sie unschädlich jetzt mache!
Vorsitzender:
Wünscht der Herr Staatsanwalt zu sprechen?
Staatsanwalt:
Bei den erwiesenen Verbrechen,
wie klar die Akten sie berichten,
will ich auf weiteres verzichten.
Vorsitzender:
Der Herr Verteidiger hat das Wort!
Verteidiger:
Ich mach es kurz: Die beiden dort
sind vieler Sünden angeklagt;
Doch davon wird kein Wort gesagt,
dass sie auch gute Seiten hatten,
und wo viel Licht ist, ist viel Schatten.
War manches drum auch schattenhaft,
beruht es doch auf Leidenschaft.
Und Leidenschaft – die liegt im Blut,
und was der Mensch da böses tut,
ist straflos – denn auch dieses Paar
wohl nicht zurechnungsfähig war.
Drum fehlt’s hier – angesichts der Sünden –
nicht an den nötigen Milderungsgründen.
Vorsitzender:
Da gibt’s nicht viel erst zu beraten;
Zu offenkundig sind die Taten.
Darum – Im Namen des Gesetzes –
und nie ein Richter je verletz‘ es! –
verurteilt hiermit man gefänglich
das schuldige Paar für lebenslänglich!
Drum führe man sie heute noch
ins eheständ’sche Kerkerloch!
Mag es hinfüro diesen zwei’n
ein recht fideles Gefängnis sein!
Führt ab jetzt die zwei Raubgenossen!
Fort! – Die Verhandlung ist geschlossen.
(Der Gerichtshof zieht sich zurück)