Spatz und Spätzin
Auf dem Dache sitzt der Spatz,
und die Spätzin sitzt daneben;
und er spricht zu seinem Schatz:
„Küsse mich, mein holdes Leben!“
Bald nun wird der Kirschbaum blühn;
Frühlingszeit ist so vergnüglich!
Ach, wie lieb’ ich junges Grün
und die Erbsen ganz vorzüglich!“
Spricht die Spätzin: „Teurer Mann,
denke doch der neuen Pflichten!
Fangen wir noch heute an,
uns ein Nestchen einzurichten!“
Spricht der Spatz: „Das Nesterbaun,
Eier brüten, Junge füttern
und dem Mann den Kopf zu kraun,
liegt den Weibern ob und Müttern.“
Spricht die Spätzin: „Du Barbar,
soll ich bei der Arbeit schwitzen,
und du willst nur immerdar
zwitschern und herumstibitzen?“
Spricht der Spatz: „Ich will dir hier
mit zwei Worten kurz berichten:
Für den Spatz ist das Pläsier,
für die Spätzin sind die Pflichten!“
Karl Mayer