Hundekur
Früh war ich aufgewacht verdrossenen Mutes;
Vom ganzen Tag verhieß ich mir nichts Gutes.
Mit Knurren fiel zuerst mein Weib ich an,
Dann kam die Magd und dann die Kinder dran.
So ward ein Stündchen um und um gebellt,
Und endlich trollt ich bissig mich ins Feld.
An einem Bauernhaus stapft ich vorbei.
Ei, guter Tyras, welch ein wüst Geschrei!
Ich kam doch oft daher auf diesen Wegen:
Mit Wedeln sprang der Hund mir sonst entgegen,
Ließ sich behaglich kraulen die zottige Mähne.
Heut aber knurrt er muffig, fletscht die Zähne,
Und alles Ernstes, wenig fehlte nur,
Dass schnappend er mir in die Wade fuhr.
Der Bauer schimpft zurück das grobe Tier
Und sprach, sich knapp entschuldigend, zu mir:
„Der kommt nun, merk ich, auch zum Schinder bald,
Er ist seit kurzem so. Das Biest wird alt.“
Ich grüßte dankend, schritt nun hastiger aus
Und trollte neu verärgert mich nach Haus.
Ich murrte weiter, Stimmung grau in grau,
Fast ängstlich aber sagte meine Frau:
„Du bist seit kurzem so. Was ist denn nur?“ -
Ein Schreck, der seltsam mir zum Herzen fuhr;
Und heimlich weinend eine Stimme schallt
Von seitwärts mir ins Ohr: „Das Biest wird alt.“
Und jählings ward verwandelt mir der Sinn:
Gott Lob und Dank, dass ich so jung noch bin!
Mit sechzig mag man knurren gut und gern,
Ich aber bin den Fünfzigern noch fern! -
Ich küsste meine Frau, ich lächelte heiter;
An diesem Tage quält ich sie nicht weiter.
Hans Hoffmann