Das Opfer des Vesuvs
Nach Nepal, wo Orangen
Und die Makkaroni blühen,
Sah man jüngst ein neuvermähltes
Pärchen miteinander ziehen.
Er hieß Franz und sie Emilie,
Außer diesen war noch da
Eine sogenannte böse
Schwieger- oder Belle-Mama.
Eines Tages nun, wie zum Unglück
Oft ihn die Natur erschuf,
Unternahmen diese dreie
Einen Ausflug zum Vesuv.
Angelangt auf seiner Spitze
Mit dem Zahnradomnibus,
Sprach die Mutter: „Dort den Krater
Ich mir auch besehen muss!“
Ungeachtet aller Bitten,
Die man noch an sie verlor,
Klomm sie tapfer und entschlossen
Zu dem Kraterloch empor.
Richtig, schon nach zehn Minuten
Sah man sie dort oben stehn,
Niesend durch die Schwefeldünste
In den Schlund hinuntersehn.
Hatschi! hatschi! Weh‘ sie wankt,
Hatschi, noch ein Schrei und schrumm! -
Oben auf der Kraterspitze
Herrschte jetzt Silentium. -
„Mutter, Mutter!“ rief die Tochter,
Schrie und raufte sich das Haar,
Währendem der Rumpf der Alten
Vollends verschwunden war.
Aber horch, welch dumpfes Toben
Tönt jetzt aus des Berges Bauch?
„Heiliger Gott, das ist ein Ausbruch!“
Rief man. Und so war es auch.
Weh, das Toben wurde stärker,
Asche flog bereits umher,
Unser Pärchen saß am Boden,
Hörte nichts und sah nichts mehr.
Aber wer beschreibt das Heulen,
Krachen, das die Luft durchzog,
Als jetzt aus dem Höllenrachen -
Schwupp! -
Die Schwiegermutter flog. -
Lebhaft mit den Beinen zappelnd
Stieg die Alte in die Höh,
Auf der spitzen Adlernase
Saß sogar noch das Pincenez. (Kneifer, Zwicker)
Oben macht sie eine Wendung,
Und dann sank die Springerin
Sanft, sich um sich selber drehend,
Wieder auf die Erde hin.
Froh begrüßten sie die Kinder,
Sie sprach voll Gemessenheit:
„Was da unten ist geschehen,
Weih ich der Vergessenheit!“
Emil sagte: „Im Vertrauen,
Die Moral von der Geschicht:
Alles kann der Berg verdauen,
Aber – Schwiegermütter – nicht!“
Alfred Schmasow