Seltsames Roßfutter

Der Müller von Knorringen war weit und breit in der Gegend als ein kurioser Mann bekannt, der allerhand seltsame Streiche machte. Also wunderten sich die Bauern nicht, die zu Grünwiesen im Wirtshaus um den Ofen herum saßen und den letzten Platz ausfüllten, dass er noch spät abends bei grimmiger Kälte zu Pferd ankam; wohl aber darüber, was er weiter tat. Nachdem er nämlich in die Stube getreten und sich darin umgesehen hatte, sagte er zur Kellnerin, sie solle eine Schüssel voll Salat mit Essig und Öl und harte Eier darauf zurichten lassen für sein Ross. Die Bauern dachten bei sich, das gibt wieder so einen Spaß, von dem man erzählen kann. Als der Salat fertig war, ließ er ihn wirklich in den Stall tragen für sein Ross; und die Bauern folgten alle neugierig der Kellnerin, zu sehen, wie es dem Vieh schmecke. Inzwischen setzte sich der Müller gemächlich auf die Ofenbank, breitete seinen Mantel aus und ließ sich’s wohl sein. Nach einer Zeit kam die Kellnerin zurück mit den Bauern und sagte: „Das Ross frisst den Salat nicht.“ „Nicht?“ fragte der Müller; „nun, so ess‘ ich ihn;“ und setzte sich an den Tisch und aß. Darauf, nachdem er die Zeche bezahlt, holte er sich den Mantel vom Ofen und sagte höflich zu den Bauern: „Habt Dank, dass ihr mir Platz gemacht!“ und ging weiter.
Jetzt merkten erst die Bauern, dass er sie gefoppt habe, der vermaledeite Müller. Und wenn der geneigte Leser das Stücklein nicht glauben mag, so geh er nach Grünwiesen und verlange nur im Wirtshaus, so laut, dass es die Bauern hören mögen, Salat mit Essig und Öl und harte Eier Drauf; er gebe aber acht, dass ihm die Speise nicht versalzen werde.

L. Aurbacher