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Kann ich es allen Menschen recht machen?
Ein Vater sprach zu seinem Sohne: „Komm, lieber Sohn, ich will dir die Torheit der Welt zeigen.“ Damit zog er seinen Esel aus dem Stall und sie gingen miteinander über‘s Feld, führten den Esel an der Hand und kamen in ein Dorf. Da liefen die Bauern zusammen und riefen: „Seht doch, welche Narren das sind! Führen den Esel an der Hand und keiner sitzt drauf.“
Als sie nun das Dorf hinter sich hatten, setzte sich der Vater auf den Esel und der Sohn führte das Tier an der Hand. Nach einer Weile kamen sie in ein anderes Dorf. Da sprachen die Bauern: „Seht nur, der Alte reitet und der arme Junge muss zu Fuße nebenher laufen.“
Sie zogen weiter und als sie vor das dritte Dorf kamen, stieg der Vater ab, hieß den Sohn aufsitzen und führte den Esel. Kaum waren sie etliche Schritte ins Dorf gekommen, da kamen die Bauern herzu und riefen: „Ei, der kräftige Junge reitet und lässt den armen alten Vater zu Fuß gehen!“
Wie sie nun weiterritten und an das vierte Dorf kamen, befahl der Vater seinem Sohne, dass er sich hinten auf den Esel setze und er nahm vor ihm Platz. So ritten sie beide ins Dorf. Da kamen aber die Bauern zusammengelaufen, schimpften und schrien: „Pfui über die Tierquäler! Sie sitzen alle beide auf dem Esel und wollen das arme Tier zu Tode reiten. Sollte man nicht einen Stock nehmen und beide herunterschlagen?“
Als sie nun zum fünften Dorf kamen, sprach der Vater: „Lieber Sohn, es bleibt uns nur noch eins übrig, nämlich dass wir dem Esel die Beine zusammenbinden, ihn über eine Stange hängen und ihn so tragen.“ Und so taten sie. Aber wie sie nun zum fünften Dorf kamen, da verhöhnten die Leute sie, schalten sie unsinnige Narren und jagten sie mit Steinwürfen zum Dorfe hinaus.
Da sprach der Vater zu dem Sohne: „Siehst du nun, lieber Sohn, die Torheit der Welt? Wie wir es auch gemacht haben, so ist es niemand recht. Es ist eben unmöglich, es jedem recht zu machen. Darum tu du immer nur das, was du für recht hältst, und lass die Leute reden.“