Gefährliche Fliegenjagd

Ein Franzose war bei einem Bauern im Quartier. Nachmittags, wie er hinter dem Ofen lag und die Fliegen ihm keine Ruhe ließen, dachte er aus Langeweile nach, wie er seinen Wirt einen Possen spielen und ihm auf gute Art einen dicken Taler oder zwei aus der Tasche ziehen könnte. Auf böse Einfälle kommt man leichter als auf gute, absonderlich beim Müßiggang. So sagte er zum Bauern: „Ick will Sie abkauf‘ die Fliegen in der Stube.“ Der Bauer meinte, der Soldat wollte ihn foppen und sagte, er gebe sie ihm umsonst und er solle sie nur alle umbringen es geschehe ihm damit einen Gefallen.
„Nein,“ sagte der Soldat, „umsonst ick nit mag, aber ick will kaufen sie, wenn Sie will, um einen dicken Taler.“
Der Bauer dachte sich: Ist der Soldat ein Narr, so ist er’s in meinem Sack; und sagte, wenn er so wolle, ihm sei es ganz recht. Der Soldat gab ihm den Taler und der Bauer steckt ihn lachend ein. Er hatte aber bald Ursache, mehr zu weinen als zu lachen. Denn der Soldat holte jetzt seine Muskete hinter dem Ofen hervor, lud sie mit Schrot und schoss, mir nichts, dir nichts, auf das Getäfel, wo die meisten Fliegen hockten, dass es krachte und die Fenster davon klirrten.
„Um Himmels willen, was macht Ihr?“ rief der erschrockene Bauer.
„Ick schieß tot die Fliegen, die ick hab‘ Sie abgekauft,“ sagte der Franzose ganz ernsthaft, als ob sich das so von selbst verstünde; und er lud wiederum und legte nochmals an. Da fiel der Bauer ihm in die Arme und auf die Knie und bat ihn bei allen Heiligen, er solle doch sein Haus verschonen und ihn nicht unglücklich machen. Der Soldat gab ihm zu verstehen: Solle auf sein Recht Verzicht leisten, so müsse er Entschädigung haben und Gewinn obendrein; und er verlangte nochmals soviel, als er dem Bauern gegeben hatte. Dem mochte es lieb sein oder nicht, er musste sich den Handel gefallen lassen und bezahlen, was jener wollte. Und so merkt er denn zu spät, dass der Franzose kein Narr sei, oder wenn auch ein Narr, doch in seinen Sack.
Lustig ist es Streit und man muss lachen. Aber der redliche Leser denkt sich dabei: ein Filou war er doch, der Franzose, und ich denk‘s auch.

L. Aurbacher