Die Schelme und der Müller

Es kamen einstmals einige lustige Gesellen, die sich auf dem Wege verirrt hatten, spätabends in einer einsam gelegenen Mühle an, wo sie um Herberge nachsuchten. Der Müller, ein leutseliger Mann, nahm sie freundlich auf und versah sie aufs beste mit Brot, Käse und Bier. Also aßen und tranken sie bis in die späte Nacht hinein und trieben dazu allerlei Kurzweil mit guten Schwänken, an denen auch der Müller großen Gefallen hatte. Da konnte es denn nicht fehlen, dass es zuletzt auch über die Müller herging. So fragte der erste den Müller, ob er wohl wisse, was das Beste sei in der Mühle? Der Müller antwortete: „Nun ja, die vollen Säcke.“ „Nein,“  sagte jener, „ sondern dass die Säcke nicht reden können; denn - -“ „Schon gut,“  sagte der Müller, „ich versteh’s, wo’s hinaus will.“ Ein zweiter fragte den Müller, ob er wisse, warum die Störche auf keine Mühle ihr Nest bauen? Der Müller sagte: „Nun ja, weil die klappernden Störche die klappernden Mühlen nicht leiden mögen.“ „Schlecht erraten,“ sagte jener, „sondern weil die Störche wissen, dass nicht einmal ihre Eier vor dem Müller sicher seien.“ „Oho!“ sagte der Müller und lachte, „aufs Dach gehen wir doch nicht hinauf, solang es noch was zu fischen gibt in der Mühle.“ – Ein Dritter nahm das Wort und sprach: „Welcher Müller versteht am besten sein Handwerk?“ Der Müller sagte: „Wohl derjenige, der aus dem wenigsten Korn das meiste Mehl macht.“ :Mitnichten,“ sagte jener, „sondern der das Korn und das Mehl so fein mahlt, dass die Leute kaum wieder die Säcke finden.“ – Der Vierte sagte: „Ich verstehe auch etwas vom Handwerk und habe oft in der Mühle zugeschaut, wie’s da zugeht. Wenn man das erste Wasser in der Mühle anlässt, so geht sie anfangs gar langsam, und sagt gleichsam: ,Es ist ein Dieb da, es ist ein Dieb da.‘ Wenn man das zweite laufen lässt, so geht es schon etwas geschwinder und spricht gleichsam: ,Wer ist er, wer ist er?‘ Endlich, wenn das dritte Wasser dazukommt so geht sie gar geschwind und antwortet: ,Der Müller, der Müller, der Müller.‘“ – Es sagte darauf der fünfte: „Wenn denn alle Müller Diebe sind, wie kommt es, dass man sie nicht alle aufhenkt, gleich andren Dieben?“ „Narr,“ sagte der sechste, „da würde ja das ganze Handwerk in Abgang kommen und man kann es doch nicht missen.“ Zuletzt langte der siebente seine Fiedel hervor und sprach: „Ich will dem Müller lieber eins aufgeigen,“ und er sang:
„Eile, Müller, schütte drauf,
Gib der Mühle schnellen Lauf,
Nimm fein recht das Beutelgeld,
Dass kein Heller neben fällt!“
So ging’s denn fort und die Gesellen hatten ihr Gespött mit dem Müller und der Müller machte auch kein schief Gesicht dazu. Er dachte aber bei sich: „Wartet, ich will’s euch schon eintränken! -
Als sie nun schlafen gehen wollten, sprach der Müller, er habe nur eine einzige Kammer leer, unter dem Taubenschlag droben, und zu der müsse man auf schlechter Stiege unter freiem Himmel hinaufsteigen. Den Gesellen war das gleichviel. Und sie brachen auf und stiegen die Staffeln hinan und merkten wohl, dass sie steil und schlecht seien zum Halsbrechen. Und als sie nun alle auf der Stiege standen – es war aber das große Wasserrad – so zog der Müller unversehens den Schluss auf und hops! Purzelte einer nach dem andern wie Frösche in den Mühlengraben ins Wasser hinab, und sie zwatzelten und plätscherten drin herum wie Pudelhunde, die das Schwimmen lernen. Ertrunken ist jedoch keiner und das kalte Bad hat ihnen weiter auch nicht geschadet. Der Müller sagte, es tue ihm leid, dass die Stiege eingebrochen, und sie müssten nun schon in der Stube vorliebnehmen. Das taten sie denn auch und sie schliefen gar wohl.
Des andren Tags sahen sie nun freilich, was das für eine Bewandtnis gehabt habe mit der Stiege; und der Müller lachte sie brav aus und sagte: „Da habt ihr nun ein Stücklein mehr zu erzählen von den Müllern.“ Der Fiedler aber stimmte seine Geige und spielte ihnen was vor und sang:
„Die Mühlen, die klappen,
Die Knappen, die schnappen,
Die Beutel die strotzen,
Die Müller, die trotzen –“
und so weiter.
Als sie nun endlich aufbrechen wollten und nach der Zeche fragten, sagte der Müller, sie hätten dieselbe schon gestern bezahlt; sie sollten nur damit vorlieb und nichts für ungut nehmen. Also sind sie als gute Freunde voneinander gegangen.

L. Aurbacher