Kurzgeschichte vom Sterbebett


Ein Edelmann hatte einen Narren, der ihm sehr lieb war. Er ließ ihm einen hübschen ledernen Kolben machen und sprach zu ihm: „Narr, diesen Kolben darfst du niemand geben, der nicht närrischer ist als du.“ Der Narr sagte: „Ja, Herr.“
Nun fügte es sich nach einiger Zeit, dass der Edelmann sehr schwer krank wurde. Der Arzt kam alle Tage zu ihm. Wenn er dann wieder fortging, fragten ihn die Edelfrau und die Knechte, wie es denn mit dem Junker stände. Dann sprach er: „Er wird von hinnen fahren. Er bleibt nicht.“ Der Narr, der dabei stand, hörte diese Worte und lief dann jedesmal in den Stall zu den Pferden und sah zu, ob man die Pferde auch sattle und den Reisewagen putze und herrichte, aber er bemerkte nichts davon.
Darob wunderte er sich und ging deshalb selber zu dem Herrn und fragte ihn: „Herr, sie sprechen, du wolltest von hinnen fahren, du bliebest nicht. So sag mir doch, wie lange willst du ausbleiben? Ein Jahr?“ - Da seufzte der Edelmann und antwortete: „O länger, ich weiß nicht wie lange.“ – „So?,“ sprach der Narr, „du willst eine so große Reise machen? Und ich sehe noch keine Zurüstung, weder im Stall noch im Hofe. Darum will ich dir meinen Kolben geben, denn du bist viel närrischer als ich. Wenn ich sollte so lange ausbleiben, so würde ich etwas vorausschicken, wovon ich zu leben hätte, damit ich nicht Mangel litte. Du aber tust nicht dergleichen. Deshalb nimm nur meinen Kolben, er gehört dir von Rechts wegen zu.“
Der Edelmann nahm diese Worte zu Herzen und besserte sich, machte sein Testament und rüstete sich zur letzten Reise.