Der Wetterhahn

Auf des Turmes höchster Spitze
saß der alte Wetterhahn,
schaute vom erhab’nen Sitze
ruhig sich das Wetter an.

Auf dem Miste sah er stehen
einen jungen Bruderhahn,
der mit lautem, stolzen Krähen
kündet Sturm und Wetter an.

Und der Alte rief von oben:
„Lieber Bruder, das ist dumm:
Wird man auch dein Krähen loben,
dreht man doch den Hals dir um.“

„Sieh mich an hier auf dem Turme,
hab ich jemals schon gekräht?
Nein, ich hab vor jedem Sturme
still mich nach dem Wind gedreht.

„Und so bin ich alt geworden
in den Zeiten der Gefahr –
Heute Süden, morgen Norden,
stumm und lenksam immerdar.

„Und daraus magst du ersehen,
daß das Glück will Jedermann,
der nur weiß sich gut zu drehen
und den Schnabel halten kann!“

F. J. Stritt