Selbst einem Stare kann es nützlich sein, wenn er etwas gelernt hat, wieviel mehr einem Menschen! – In Seringen hatte der Barbier einen Star, und der Lehrjunge gab ihm Unterricht im Sprechen. Der lernte nicht nur alle Wörter, die ihm sein Sprachmeister aufgab, sondern er ahmte zuletzt auch selber nach, was er von seinem Herrn hörte, zum Beispiel: „Ich bin der Barbier von Segringen.“ Sein Herr hatte sonst noch allerlei Redensarten an sich, die er bei jeder Gelegenheit wiederholte: „So so, la la“, oder „par Compagnie“ (das heißt so viel als: in Gesellschaft mit anderen), oder: „Du Tolpatsch!“ So titulierte er nämlich insgemein den Lehrjungen, wenn er das halbe Pflaster auf den Tisch strich anstatt aufs Tuch, oder wenn er ein Arzneiglas zerbrach. Alle diese Redensarten lernte nach und nach der Star auch.
Da nun täglich viele Leute im Hause waren, weil der Barbier auch Branntwein ausschenkte, so gab’s manchmal viel zu lachen, wenn die Gäste miteinander ein Gespräch führten, und der Star warf auch eins von seinen Wörtern drein, das sich dazu schickte, als wenn er den Verstand davon hätte. Und manchmal, wenn ihm der Lehrjunge zurief: „Hansel, was machst du?“ antwortete er: „Du Tolpatsch!“ und alle Leute in der Nachbarschaft wußten von dem Hansel zu erzählen.
Eines Tages aber, als ihm die beschnittenen Flügel wieder gewachsen waren und das Fenster offen war und das Wetter schön, da dachte der Star: „Ich habe jetzt schon so viel gelernt, daß ich in der Welt fortkommen kann;“ und husch! war er zum Fenster hinaus. Weg war er. Sei erster Flug ging ins Feld, wo er sich unter eine Gesellschaft anderer Vögel mischte, und als sie aufflogen, flog er mit ihnen; denn er dachte: „Sie wissen die Gelegenheit hierzulande besser als ich.“ Aber sie flogen ünglücklicherweise alle miteinander in ein Garn. Der Star sagte: „Wie Gott will!“ Als der Vogelsteller kommt und sieht, was er für einen großen Fang getan hat, nimmt er einen Vogel nach dem andern behutsam heraus, dreht ihm den Hals um und wirft ihn auf den Boden. Als er aber die mörderischen Finger wieder nach einem andern Gefangenen ausstreckte und an nichts dachte, schrie der Gefangene: „Ich bin der Barbier von Segringen!“ als wenn er wüßte, was ihn retten könnte. Der Vogelfänger erschrak anfänglich, als wenn es hier nicht mit rechten Dingen zuginge; nachher aber , als er sich erholt hatte, konnte er kaum vor Lachen zu Atem kommen, und als er sagte: „Ei , Hansel, hier hätte ich dich nicht gesucht, wie kommst du in meine Schlinge?“ da antwortete der Hansel: „Par Compagnie.“ Also brachte der Vogelsteller den Star seinem Herrn wieder und bekam ein gutes Fanggeld. Der Barbier erwarb sich einen guten Zuspruch; denn jeder wollte den merkwürdigen Hansel sehen.

Johann Peter Hebel