Der beste Wein für Kinder, der weiße ist’s fürwahr,
Der aus der Felsenquelle so lustig fließt und klar.
Er fließt durch grüne Auen; ihn trinken Hirsch und Reh,
Und Lerch‘ und Nachtigallen; er macht dem Kopf nicht Weh.

Und ist er gut für Kinder, der klare weiße Wein,
Mich dünkt, er muss nicht minder auch gut für Große sein;
Schon mancher hat’s erfahren, wie seine Feindschaft tut.
Er musst‘ es teuer büßen, mit Ehre, Gut und Blut.

In Brabant war ein Schneider, den Namen weiß ich nicht;
Doch eines kann ich sagen: Den Weißen liebt‘ er nicht;
Er war dem Roten holder und liebte ihn so sehr,
Er trank so viel vom Roten, dass ihm der Kopf ward schwer.

Da wankt‘ er durch die Straßen, der bösen Kinder Spiel,
Bis mitten auf dem Markte der Schneider niederfiel.
So lag er ohne Sinnen berauschet auf dem Grund,
Da kam des Wegs Herr Philipp, der Herzog von Burgund.

Der lenkte durch die Menge zum Schneider hin sein Ross,
Und ließ ihn mit sich bringen vom Markte auf sein Schloss.
Dort sprach Herr Philipp lachend, denn fröhlich war sein Herz:
„Der muss uns heut‘ bereiten zur Strafe einen Scherz.“

Er ließ den Schneider schmücken mit reichem Goldgewand‘,
Und mit dem Herzogshute und manchem Ordensband;
Und als er drauf erwachte, da rief ein jeder Mund:
„Heil dir, o hoher Philipp, du Herzog von Burgund.“

Der Schneider rieb die Augen und traute nicht dem Ohr,
Er horchte stets und horchte – sie riefen wie zuvor.
Er sah voll froher Zweifel so Gold als Edelstein,
Den Hut mit reichen Perlen, den Stuhl von Elfenbein.

Er hört sich Herzog grüßen und sieht den Saal voll Licht,
Und was er sieht und höret, missfällt ihm eben nicht.
Der Titel und die Ehren, die leuchten ihm bald ein;
Er denkt: „Wie kann ich zweifeln? Ich muss der Herzog sein.“

Und schüchtern erst, dann kühner erlässt er sein Gebot,
Verspricht erst seine Gnade, dann mit dem Zorn er droht.
Die Diener müssen laufen und springen hin und her,
Bald wird der Schneider strenger, als ob’s der Herzog wär‘.

Zuletzt dann ruft er zornig: „Wie mögt so träg ihr sein?
Ihr lasst mich ja verdursten, bringt mir von meinem Wein!
Doch bringt mir ja vom Roten, bei meinem Herzogshut!
Der schlechte Wein, der weiße, bekam mir niemals gut!“

Den großen, goldenen Becher, den trinkt er aus zum Grund,
Drob neuer Schlaf ergreifet den Herzog von Burgund;
Wohl schlief er ein im Schlosse als Herzog von Burgund,
Doch wacht‘ er auf als Schneider auf hartem Marktes Grund.

Er ruft nach seinen Dienern, mit seinem Zorn er droht:
„Dem Herzog bringt vom Roten! Der Weiße ist sein Tod!“
Da fühlt er statt der Seide den harten Pflasterstein,
Und neben sich den Brunnen mit klarem, weißem Wein.

Der Herzog trank im Durste von dem verhassten Wein,
Da fiel ihm nüchtern wieder der arme Schneider ein.
Er wollte sich nun schleichen ganz säuberlich nach Haus,
Doch rings von allen Ecken, da lachten sie ihn aus.

Und wo er kam geschlichen, da rief der Spötter Mund:
„Heil dir, o hoher Philipp, du Schneider von Burgund!“
Den Spott musst‘ er erfahren bis zu dem Tode sein,
Wie schlimm es sei, zu hassen den klaren, weißen Wein.

Drum nehme sich ein jeder vor diesem Wein in Acht,
Sonst wird als armer Schneider der Herzog ausgelacht!
Und der das Lied gesungen, ei, sagt, wer mag es sein?
Mich dünkt, es war ein armes, ein Flickversschneiderlein!