eine Täuschung


Der lange Lorenz von Rostock lebte zu Anfang des siebzehnten Jahrhunderts und war ein kühner und tapferer Seemann, der sein Schiff manches Jahr nach der Levante fuhr und glücklich wieder nach Hause brachte trotz Stürme und Seeräubern.
Mit den Seeräubern hatte er schon manchen Strauß ausgefochten und war immer durchgekommen. Einmal aber, als er schon in der Nähe der Meerenge von Gibraltar fuhr und seine Leute sich Glück wünschten, das gefährliche Gebiet hinter sich zu haben, rief der Mann im Mastkorb: „Segel gegen Backbord!“ Und ein Schiff war's, und bald genug erkannte man die spitzdreieckigen Segel eines Korsaren.
Anfangs hoffte der lange Lorenz zu entkommen, aber der Seeräuber war besser auf den Beinen als sein schwer beladener Schoner, und nicht lange dauerte es, so pfiff eine Stückkugel durch die Großsegel und riss sie in Fetzen. Sonst war er der Mann nicht, sich gutwillig zu ergeben und wusste mit seinen langen Kanonen auf einen solchen Gruß höflich zu antworten.
Diesmal aber behielt er zur Verwunderung seiner Leute die Pfeife im Munde und die Hände in den Taschen, und vergeblich warteten sie auf das Kommando: „Alles klar zum Gefecht!“ Vielmehr befahl er beizulegen und ließ die Seeräuber ruhig herankommen.
Als drüben die Boote abstießen, winkte er seinen Steuermann herbei, verbot den Leuten jede Gegenwehr und ging in die Kajüte. Die Korsaren kamen längsseits, trauten aber der Stille anfänglich nicht. Als sie jedoch bemerkten, dass die Leute ihnen unbekümmert zusahen, wie sie herantrieben, stiegen sie an Bord, ihnen voran ein schwarzbärtiger, wilder Kerl mit dem krummen Säbel in der Hand.
Er fragte auf italienisch nach dem Kapitän und wurde vom Steuermann in die Kajüte gewiesen. Dahin ging er mit einigen seiner Leute, blieb aber überrascht in der Tür stehen. Denn in der Kajüte stand eine Reihe offener Pulverfässer, und der Boden war ganz voll gestreut mit grobem Kanonenpulver, dass man keinen Schritt tun konnte, ohne darauf zu treten.
Der lange Lorenz aber saß auf einem offenen Fässchen und rauchte gemütlich seine Tonpfeife. „Guter Freund,“ sagte er zu dem Mohammedaner, „wenn du mit deinem Volk nicht auf der Stelle umdrehst und wenn ihr mir auch nur einen Nagel oder ein Tauende mitnehmt oder von meinen Leuten nur einen krumm anschaut, so klopfe ich meine Pfeife in das Fass, und dann fliegen wir in den Himmel. Ich in den meinigen, Ihr in den Eurigen. Wir wollen sehen, wer zuerst in den seinigen kommt.“
Das gelbe Gesicht des Seeräubers wurde um einen guten Strich blasser. Er rief seinen Leuten einige Worte zu und war rascher in seinem Boot als zuvor an Bord.
„Neues Großsegel auf!,“ kommandierte der lange Lorenz, als er heraufkam und zu den Schiffsjungen sagte er: „Ihr da, kehrt mir den Rapssamen wieder in den Raum! Und wenn ihr mir ein Korn zertretet, so gibt‘s Fettflecken auf meinem Kajütenboden und blaue - auf euren Buckel!“ In der Tat war es nur Rapssamen, aber er hatte gute Dienste geleistet.