DAS SCHWEIN.
EIN HYMNUS.
Ihr Freunde, tadle keiner mich,
Dass ich von Schweinen singe!
Es knüpfen Kraftgedanken sich
Oft an geringe Dinge.
Uhland.
Längst schon trieb mich der Muse Gebot, zu singen des Schweines
Tiefempfundenes Lob, des vielfach verleumdeten Borstviehs,
Welches, dem Märtyrer gleichend, verachtet sein Leben dahinbringt,
Bis nach grausamem Tode die innere Tugend enthüllt wird,
Welches ihm nimmer was nützet und welches ihm gänzlich egal ist.
Zwar schon sang uns sein Lob vor Zeiten der treffliche Uhland,
Pries es im Erbswurstlied der beschaulich-erbauliche Trojan,
Hat ihm ein Epos geweiht der viel belesene Herrig -
Allumfassend doch keiner erschöpfte des Schweines Bedeutung!
Darum der Menschheit Schuld zu sühnen will ich besorgt sein,
Singen dein Lob, vortreffliches Schwein, Beglücker der Menschheit.
Thörichte sind es fürwahr, Verblendete, die dich verachten,
Naserümpfend vorüber dir gehn mit dem schändlichen Ausspruch:
"Sehet das schmutzige Schwein, o welch ein Schwein ist das Schwein doch!"
Würdigen Schrittes sich naht der vielgelehrte Präceptor,
Sorglich führt er vorüber den maulaufsperrenden Zögling,
Welchen er Tag für Tag beträufelt mit Sprüchen der Weisheit,
Gleich wie die Köchin den Braten begiesst, bis er mürbe und gar wird.
Also spricht er, mit bleicher Nase vermeidend den Schweinsduft:
"Siehe mein Söhnchen, der Trägheit Bild und der schändlichen Schmutzlust,
Wie es behaglich sich wälzt und Tugend und Weisheit verachtet,
Einzig mit Fressgier bedacht, wie es den wampigen Wanst fühlt!"
O welch thörichtes Zeug sprichst du, mein weiser Präceptor:
Menschentugend und Tugend des Schweins sind gänzlich verschieden.
Diesem ist Fettsein Verdienst und grössester Vorzug die Fressgier.
Wär ich an deiner Stell' o hypergelehrter Präceptor,
Also spräch ich gewichtige Worte zum lauschenden Zögling:
"Siehe, mein Söhnchen, das Schwein, dies herrliche Wunder der Schöpfung,
Welche mit mächtigen Kräften gesegnet seine Verdauung:
Schlechte verachtete Träber und werthlos erbärmlichen Abhub
Wandelt sein mystischer Bauch in rosig fleischigen Speckwanst,
Welcher Millionen gewährt gedeihlich köstliche Nahrung.
Nichts am Schwein ist gering - du schmähst auf den schmutzigen Rüssel,
Welcher durchwühlte, was ekel dir schien, o Zögling, und dennoch
Speisest du fröhlichen Mutes begierig die köstliche Schnauze,
Lobst sie über die Massen und leckst dir schmunzelnd das Maul ab,
Schaust du umher, wo an Wänden die Schätze des Geistes gereiht sind,
Dorten erblickt dein prüfendes Auge, vortrefflicher Zögling,
Dass man nichts Bessres gefunden, die herrlichen Schätze zu schützen,
Als das Leder des Schweins, des vielverachteten Borstviehs.
Ist es doch selber ein Schatz in schweineledernem Einband,
Dieses vortreffliche Thier, ein Füllhorn köstlicher Gaben.
Denke des herrlichen Schinkens, des purpurrosigen Querschnitt
Köstlicher Speck umkränzt mit röthlich schimmerndem Anhauch,
Denke der Würste, mein Sohn, die in ungezählten Guirlanden
Lieblich das Leben durchflechten und von so vielerlei Art sind,
Gleich wie des Landes Gebrauch und freundliche Sitte gebietet,
Acht' auch nimmer gering Matrosen ernährendes Salzfleisch,
Rosig durchwachsenen Speck und Schmalz, die Butter des Armen,
Schweineknöchlein, ein köstlich Gericht und die leckere Sülze.
"Snuten und Poten" verzehrt man in Hamburg, das köstliche Eisbein
Schätzt der Berliner, zum Sauerkohl wahrlich da schmeckt es vortrefflich.
Dessengleichen, mein Sohn, vermöcht ich noch viel zu vermelden,
Doch nun sei es genug, nur eines noch merke, mein Zögling:
Nimmer verblendet dies redliche Thier so mächtiger Vorzug,
Ruhig lebt es dahin im Schatten und in der Verachtung,
Nimmer Allotria treibt es und wendet sich flackrig vom Ziel ab,
Sondern es mästet sich still und frisst sich empor zur Vollendung.
Solch ein vortreffliches Thun sei dir ein Beispiel und Ansporn;
Mäste desgleichen in stetigem Triebe den Wanst deines Geistes,
Dass er im Alter dir triefe vom köstlichen Fette der Weisheit."
Solches würd' ich berichten dem wohlaufmerkenden Zögling,
Denn ich liebe das Schwein, betracht' es mit tiefer Verehrung,
Welches die Götter, die gütigen, schenkten zu lieblicher Nahrung
Beiden, so Arm als Reich, zu gleichem Genuss und Behagen.
Theuerste Gattin, es ward mir bekannt, dass du heute bereitest
Köstliches Mahl in duftender Küche, den herrlichen Schweinskopf:
Wende, Geliebte, den Schritt zu jenem Ort, der bekannt dir,
Wo mich oftmals umfing, wenn ich ihm nahte durch Zufall,
Seltsam träumerisch Sinnen, bis dass mir im Geiste emporstieg
Manch ein tropisches Bild von Palmen und üppigem Urwald,
Wo mich ein Anhauch traf der Fremde des sonnigen Südens,
Bis es mir klar ward im Geist, es duftete so der Gewürzschrank -
Nimm draus, teuerstes Weib, des Lorbeers trockene Blätter,
Leg' sie mit ordnender Hand um den herrlich bereiteten Schweinskopf,
Dass ihn noch zieret im Tode der Lorbeer, den er verdient hat!
Heinrich Seidel