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Den Schalk im Nacken?
Einst kam ein Abenteurer nach Frankfurt als gerade Messe war. Da trat er an den Stand eines Krämers der mit Seidenbändern handelte und fragte ihn: „Lieber Herr, was gilt wohl ein seidenes Band, das von einem Ohr zum anderen reicht. Ich möchte gern eins kaufen?“
Der Krämer sagte: „Ich denke, es wird nicht mehr denn eine Elle nötig sein. Die gilt sechs Kreuzer.“ Der Abenteurer aber, der mit List umging, sagte: „Wenn es nun etwas länger wäre, wie viel soll ich dann zahlen?“
Da antwortete der Krämer: „Ihr habt doch nicht einen so großen Kopf! Gebt mir zehn Kreuzer, so will ich Euch ein Band abmessen von einem Ohr zum anderen. Es sei so weit es wolle.“
Der Abenteurer gab ihm die zehn Kreuzer, und nun begann der Krämer zu messen. Hielt das Band an das linke Ohr und wollte es herum legen bis zum rechten. Als er aber dem Abenteurer das Barett abzog, bemerkte er, dass kein rechtes Ohr vorhanden war. Da fragte der Krämer: „Wo ist denn das andere Ohr?“
Der Strolch antwortete: „Das ist mir zu Erfurt abgeschnitten und dort an den Pranger genagelt. Messt nur bis dahin, bezahlt habe ich‘s schon.“
Der Krämer lachte und betrachtete die Geschichte als einen Scherz. Aber der Abenteurer pochte auf sein Recht und die Sache kam vor den Bürgermeister. Der aber riet dem Krämer, den Abenteurer mit etlichen Gulden abzufinden und Frieden zu machen. Der Abenteurer war‘s wohl zufrieden; denn sonst hätte er sein linkes Ohr leicht in Frankfurt lassen können, und der Krämer wäre des Handels ganz quitt gewesen.