Für den Geburtstag ausgesuchte Gedichte.


Wie mein Kind sich freuen kann!
Sieht es nur ein Licht,
sieht es nur ein Blümchen an,
lächelt sein Gesicht.
Welch Freude wird es sein
wenn's im Frühlingsfeld
laufen kann im Sonnenschein
durch die Blumenwelt!
Wie's die Händchen dann erhebt
nach dem Schmetterling!
Wie's nach allem hascht und strebt!
Nichts ist ihm gering.
Und das Hälmchen in dem Ried,
und das Blatt im Strauch,
alles, alles, was es sieht,
alles freut es auch.
Und wie wird die Freude sein
in der Sommernacht,
wenn der Mond mit güldnem Schein
ihm entgegen lacht!
Freue Dich, mein liebes Kind!
Wer sich freuen kann,
ist, sobald er nur beginnt,
schon ein bess'rer dann.
Hoffmann von Fallersleben

Ihr Leute, groß und klein, Ihr wißt,
dass heute unser Festtag ist
und, dass wir feiern müssen.
So fangt nur gleich frühmorgens an
und bis die Stern am Himmel stahn,
und singt und springt und springt und singt.
Denk heute niemand an Gefahr,
und ob wir über hundert Jahr
den Tag noch feiern werden.
Wir haben ihn ja heute noch,
Gott sei gelobt! so braucht ihn doch,
und macht uns heut das Herz nicht krank und schwer.
Denn freilich! alles Ding vergeht,
auch unser Festtag nicht besteht,
er wird uns endlich fehlen.
Doch nicht so bald - fleht und hofft,
er soll noch wiederkommen oft,
soll oft noch wiederkommen!
Matthias Claudius

Der Weise, welcher sitzt und denkt
und tief sich in sich selbst versenkt,
um in der Seele Dämmerschein
sich an der Wahrheit zu erfreuen,
der leert bedenklich sein Flasche,
nimmt seine Dose aus der Tasche,
nimmt eine Prise, macht hapschie!
Und spricht: "Mein Sohn, die Sache ist die!
Eh’ man auf diese Welt gekommen
und noch so still vorlieb genommen,
da hat man noch bei nichts was bei;
man schwebt herum, ist schuldenfrei,
hat keine Uhr und keine Eile
und äußerst selten Langeweile.
Allein man nimmt sich nicht in acht,
und schlupp! ist man zur Welt gebracht.
Zuerst hast Du es gut, mein Sohn,
doch pass mal auf, man kommt Dir schon…
Du wächst heran, Du suchst das Weite,
jedoch die Welt ist voller Leute,
die Dich ganz schrecklich überlisten
und die, anstatt Dir was zu schenken,
wie Du wohl möchtest, nicht dran denken.
Und wieder scheint Dir unabweislich
der Schmerzensruf: Das ist ja scheußlich!
Doch siehe da, im trauten Kreis
sitz Jüngling, Mann und Jubelgrei,
und jeder hebt an seinen Mund
ein Hohlgefäß, was meistens rund,
um draus in ziemlich kurzer Zeit
die drin enthaltne Flüssigkeit
mit Lust und freudigem Bemühen
zu saugen und heraus zu ziehen.
Weil jeder dies mit Eifer tut,
so sieht man wohl, es tut ihm gut…

Mein lieber Sohn, du tust mir leid,
Dir mangelt die Enthaltsamkeit.
Enthaltsamkeit ist das Vergnügen
an Sachen, welche wir nicht kriegen.
Drum lebe mäßig, denke klug.
Wer nichts gebraucht, der hat genug!

So spricht der Weise, grau von Haar,
ernst, würdig, sachgemäßig und klar,
wie sich’s gebührt in solchen Dingen;
Lässt sich ein Dutzend Austern bringen,
isst sie, entleert die zweite Flasche,
hebt seine Dose aus der Tasche,
nimmt eine Prise, macht hapschie!
Schmückt sich mit Hut und Paraplü,
bewegt sich mit Bedacht nach Haus
und ruht von seinem Denken aus.
Wilhelm Busch

Aus der Ferne
diesen Wunsch:
Glückliche Sterne
und guten Punsch!
Jene für immer,
diesen für heut -
und nimm nichts schlimmer
als Gott es beut.
Raffe Dich, sammle Dich,
eins, zwei, drei,
und verrammle Dich
gegen Hinschlepperei.
Bricht, was nichts halten will,
brich es entzwei!
Aber hälst Du still -
Ist es vorbei.
Theodor Fontane

Ach was soll der Mensch verlangen?
Ist es besser ruhig zu bleiben?
Klammernd fest sich anzuhangen?
Ist es besser sich zu treiben?
Soll er sich ein Häuschen bauen?
Soll er unter Zelten leben?
Soll er auf die Felsen trauen?
Selbst die festen Felsen beben.
Eines Tages schickt sich nicht für alle.
Sehe jeder wie er's treibe,
Sehe jeder wo er bleibe,
Und wer steht, dass er nicht falle.
Johann Wolfgang von Goethe

Zu Sechzigen fehlt nur noch eins:
In Gottes Namen immer weiter!
Nur mutig, nur gesund und heiter!
Dein Glück, Dein Leben ist auch meins.
Eduard Mörike

Mach auf, Frau Griesbach! Ich bin da
und klopf an Deine Türe.
Mich schickt Papa und die Mama,
dass ich Dir gratuliere.
Ich bringe nichts als ein Gedicht
zu Deines Tages Feier;
denn alles, wie die Mutter spricht,
ist so entsetzlich teuer.
Sag selbst, was ich Dir wünschen soll,
ich weiß nichts zu erdenken.
Du hast ja Küche und Keller voll,
nichts fehlt in Deinen Schränken.
Es wachsen fast Dir auf den Tisch
der Spargel und die Schoten.
Die Stachelbeeren blühen frisch
und so die Reineclauden.
Bei Stachelbeeren fällt mir ein,
die schmecken gar zu süße,
und wenn sie werden zeitig sein,
so sorge, dass ich's wisse.
Viel fette Schweine mästest Du
und gibst den Hühnern Futter.
Die Kuh im Stalle ruft muh, muh
und gibt Dir Milch und Butter.
Es haben alle Dich so gern,
die Alten und die Jungen,
und Deinen lieben, braven Herrn
ist alles wohl gelungen.
Du bist wohlauf. Gott Lob und Dank!
Mußt's auch fein immer bleiben.
Und höre, werde ja nicht krank,
dass sie Dir nichts verschreiben.
Nun lebe wohl! Ich sag ade.
Gelt, ich war heut bescheiden!
Doch könntest Du mir, eh ich geh,
'ne Butterbemme schneiden.
Friedrich von Schiller

Im Herbst des Lebens
Der schöne Sommer ging von hinnen,
der Herbst, der reiche, zog ins Land.
Nun weben all die guten Spinnen
so manches feine Festgewand.
Sie weben zu des Tages Feier
mit kunstgeübtem Hinterbein,
ganz allerliebste Elfenschleier
als Schmuck für Wiese, Flur und Hain.
Ja, tausend Silberfäden
geben dem Winde sie zum leichten Spiel,
die ziehen sanft dahin und schweben
ans unbewusst bestimmte Ziel.
Sie ziehen in das Wunderländchen,
wo Liebe scheu im Anbeginn,
und leis verknüpft ein zartes Bändchen
mit Freunden das Geburtstagskind.

Wilhelm Busch